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Wer den Winter liebt — die Geschichte des Wintersports IV

Die Geschichte des Eiskunstlaufs reicht weit zurück und wird durch archäologische Funde belegt. Menschen entwickelten Wege, sich ästhetisch und sportlich auf Eis zu bewegen, oft im Zusammenhang mit der Jagd und der Nutzung von Tierknochen für verschiedene Zwecke. Prähistorische Schlittschuhe aus Tierknochen zeigen, dass das Schlittschuhlaufen schon in der Urzeit praktiziert wurde. Diese Funde reichen von Russland über Skandinavien bis nach Großbritannien und Mitteleuropa.




Archäologische Funde, wie zum Beispiel prähistorische Schlittschuhe aus Tierknochen, deuten darauf hin, dass das Schlittschuhlaufen schon in der Urzeit praktiziert wurde. Die Geschichte des Eislaufens ist dabei eng mit der Jagdtechnik und der Nutzung von Tierknochen verbunden, die nicht nur für Fell und Fleisch, sondern auch für die Herstellung verschiedener Werkzeuge verwendet wurden.


Schlittschuhe aus Tierknochen waren in verschiedenen Teilen der Welt zu finden, von Russland über Skandinavien bis nach Großbritannien und Mitteleuropa. In Sibirien liefen die Ureinwohner auf Walrosszähnen, während in China Bambusruten genutzt wurden. In Frankreich wurden Mittelhandknochen von Rindern ausgegraben, die vermutlich als Schlittschuhe dienten und etwa 20.000 Jahre alt sind.


Wie fest der Schlittschuhlauf im Norden Europas verankert war, zeigen vielfältige Knochenfunde. Die Funde stammen aus Wikingersiedlungen in Skandinavien, aber auch in Nordengland. Das Königreich Jórvík mit der gleichnamigen Hauptstadt (das spätere York) war ein Territorium der Normannen in Nordengland. Vor dort stammt der Fund der gut erhaltenen Schlittschuhe auf dem Bild ganz links (Jorvik Viking Center) ; 2. Bild von links: Das typische Design der frühen Schlittschuhe, gekennzeichnet durch gerillte Knochen mit Löchern an beiden Enden, wurde an zahlreichen archäologischen Stätten der Wikinger gefunden, wodurch die York-Schlittschuhe nur eine von vielen Entdeckungen sind (Foto: Ola Myrin, SHM (CC BY-SA 4.0); 3. Bild von links: Darstellung des nordischen Gottes Ullr, der oftmals als schi- und schlittschuhlaufend dargestellt und beschrieben wurde (Bild: Friedrich Wilhelm Heine). Bild rechts: Nachbau von Schlittkufen mit Lederschuh aus Island, Eiríksstaðir. Eiríksstaðir ist das ehemalige Gehöft von Eiríkr Þorvaldsson, bekannt als Erik der Rote, in Haukadalur in der isländischen Region Dalasýsla und heute ein Freilichtmuseum.



Skandinavische Erzählungen, wie die Edda aus Island, erzählen von Eisspielen zur Zeit des norwegischen Königs Sigurd Jorsalfari (11./12. Jahrhundert), während die Asen der germanischen Mythologie die Kunst des Eislaufens beherrschten. Selbst nach der Einführung des Christentums konnten die Nachkommen dieser Männer nicht aufhören, diese "göttliche" Bewegungsart zu praktizieren.


Die ältesten identifizierbaren Funde von Schlittschuhen stammen aus der Zeit um 3000 v. Chr. und wurden aus Unterschenkelknochen verschiedener Tiere hergestellt. Pferde-, Rinder- oder Rentierknochen wurden gespalten, flachgeschliffen, durchbohrt und an Sandalen befestigt. Solche Schlittschuhe wurden in ganz Europa benutzt.


Schlittknochen sind Knochen, die für die Fortbewegung auf Eis oder als Kufen für Schlitten verwendet wurden. Sie weisen eine längliche Gleitfläche auf, die oft über die gesamte Länge des Knochens reicht und manchmal gelocht ist. Die abgeschliffene Fläche liegt plan auf, wobei die tiefste Stelle der natürlichen Krümmung des Knochens am stärksten abgerieben ist. Manchmal wurden die Vorder- oder Hinterenden so bearbeitet, dass sie nach oben gerichtet waren. Auf dem geglätteten Bereich sind oft viele lange parallele und einige schräg verlaufende tiefe Kratzer zu sehen. Die Knochen sollten gerade sein und mindestens eine sehr ebene Fläche aufweisen, idealerweise zwei gegenüberliegende, um darauf stehen zu können. Für einen bequemen Stand sollte die Knochenlänge zumindest so lang wie der Fuß sein. Polituren auf der Knochenoberfläche alter Funde könnte auch vom Kontakt mit Lederschuhen stammen.



Einer der ältesten Schlittschuhe der Welt stammt aus Veselí u Trnavy in der Slowakei und wird auf 5.000 Jahre geschätzt. Weitere einzigartige Schlittschuhe, die etwa 4.000 Jahre alt sind, wurden in der Nähe des antiken Rom gefunden. In Mitteleuropa wurden zunächst Schweinefußknochen mit Lederriemen an den Füßen befestigt, wodurch sie den Namen "Eisbein" erhielten.


In der frühbronzezeitlichen Glockenbecherkultur und in verschiedenen Fundorten der Mittelbronzezeit konnten Schlittkufen (eher für Schlittschuhe, möglicherweise auch für Schlitten) identifiziert werden. Die ältesten wissenschaftlich beschriebenen Funde von Schlittknochen in Europa stammen aus Ungarn und sind in die Zeit der Glockenbecherkultur (um 2800 v. Chr.) datiert. Diese Funde im Nordwesten Ungarns markieren eine Kontinuität einer über 1000-jährigen Herstellungstradition. Százhalombatta-Földvár liegt in der Nähe von Budapest und stellt ein wichtiges Zentrum der Bronzezeit und Knotenpunkt zum Handelsaustausch in den Norden (Norddeutschland und Südskandinavien) dar, wie mannigfache Bronzefunde aus der Forschung belegen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auf diesem Weg Schlittschuh-Knowhow nach Mitteleuropa gelangte.


Rückenoberflächenansicht des Schlittknochens von Százhalombatta-Földvár aus der mittleren Bronzezeit, Pferderadiuskufe mit Löchern für Schlittenbeine (Bild: László Bartosiewicz)


In der Früh- und Mittelbronzezeit wurden diese Kufen hauptsächlich aus Pferdeknochen, insbesondere den Radii, hergestellt, während in der Spätbronzezeit und später die Metapodia genutzt wurden. Obwohl für die jüngeren Kufen gelegentlich auch Rinderknochen (und sehr selten andere Tierarten wie Rotwild) verwendet wurden, wird spekuliert, dass es einen symbolischen Zusammenhang zwischen dem Pferd (als Knochen) und der schnellen Bewegung des Menschen auf dem Eis geben könnte.


Dieser frühe Knochen-Schlittschuh wurde im Ampermoos (Fürstenfeldbruck, Landsberg am Lech und Starnberg) in Oberbayern gefunden. Es handelt sich um den Vorderhaxen eines Schweins. Auffällig sind die runden Bohrungen an den Knochenenden. Außerdem ist eine Seite flach geschliffen. Auch im Spessart (Binsfeld an der Wern) wurde eine Vielzahl an Schlittknochen geborgen. (Bild: Merkur.de)


Ein 3.600 Jahre alter Knochenschlittschuh wurde an der Stelle der untergegangenen Siedlung Goaotai in der Autonomen Region Xinjiang im Nordwesten Chinas entdeckt. Dieser Fund repräsentiert die ersten jemals in China gefundenen Knochenschlittschuhe, die in Form und Stil den Schlittschuhen desselben Alters in Europa ähneln. Die Schlittschuhe bestehen aus geraden Knochenstücken von Ochsen und Pferden und haben an beiden Enden Löcher, um die flache „Klinge“ am Schuhwerk zu befestigen. Es ist nicht bekannt, ob die Schlittschuhe zur Jagd oder für normale Reisen verwendet wurden. Ruan Qiurong vom Xinjiang Institute of Cultural Relics and Archaeology sagte, dass die Schlittschuhe fast genau mit den 5.000 Jahre alten Schlittschuhen identisch seien, die in Nordeuropa entdeckt wurden, und dass sie möglicherweise den Ideenaustausch während der Bronzezeit widerspiegeln und auf eine enge Verbindung zwischen den beiden Welten in der Bronzezeit hinweisen könnte.


Die etwa 3.500 Jahre alten Schlittschuhe aus Knochen, die in Xinjiang gefunden wurden, ähneln fast genau den prähistorischen Schlittschuhen, die in Nordeuropa gefunden wurden. Gleichzeit wurden vielfältige Bronzeobjekte und ein Wagen mit Holzrädern geborgen. (Bildnachweis: Xinjiang Institute of Cultural Relics and Archaeology)



Als Kufen dienten also über Jahrtausende Tierknochen, später kam auch Holz als Werkstoff zum Einsatz. Die Kufen wurden aus Unterschenkelknochen verschiedener Tiere gefertigt.  Pferde-, Rinder- oder Rentierknochen wurden gespalten, flachgeschliffen, durchbohrt und an den Sandalen befestigt. Beim Schlittschuhlaufen in der Bronzezeit haben sich langsam Kufen aus Eisen durchgesetzt. Die ältesten Stahlschlittschuhe, die auf ein Alter von 2.000 Jahren geschätzt werden, stammen aus einer Erzgießereiwerkstatt eines keltischen Meisters und befinden sich in einem Museum in Budapest.


Bild: BM Infografik | Babette Ackermann-Reiche


Im 14. Jahrhundert begann man in Europa, besonders in den Niederlanden, hölzerne Schlittschuhe zu benutzen, die mit einem Eisenbeschlag versehen waren. Diese wurden mit Lederriemen am Schuh befestigt, und zur Bewegung wurden Stöcke verwendet.



Bild: BM Infografik | Babette Ackermann-Reiche


Um das Jahr 1500 begannen die Niederländer Kufen mit zwei Kanten und einer Nut dazwischen zu verwenden, was es den Eisläufern ermöglichte, sich ohne Stöcke zu bewegen.


Metallschlittschuhe


Im 18. Jahrhundert wurden in London noch Schlittschuhe mit Riemen aus Knochen verwendet, während in Norwegen und Island diese bis ins 19. Jahrhundert im Gebrauch waren.


Zugefrorene Flüsse und Seen stellten die Bedingung für das Eislaufen dar.



Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden Schlittschuhe mittels Schrauben am Absatz befestigt. Verschiedene Verbesserungen wie die "Halifaxsche Verbesserung" trugen dazu bei, dass die Schlittschuhe fest saßen, ohne den Fuß zu drücken.


Bilder: Carl Hilgers: Wintervergnügen 1843; Eislaufen im Rokoko; 1764 Tag der Briefmarke 100 Pf Deutsche Bundespost




Hl. Lidwina — Patronin der Eisläufer

Die Schutzpatronin der Schlittschuhläufer ist die Heilige Lidwina von Schiedam (Niederlande). Ihre Geschichte aus dem 15. Jahrhundert erzählt von einem Zusammenstoß beim Schlittschuhlaufen im Jahr 1395, der sie schwer verletzte. Nach ihrer Genesung trat sie in ein Kloster ein und lebte dort bis zu ihrem Tod 1443 ein religiöses Leben. Aufgrund dieses Unfalls wurde sie zur Schutzheiligen der Schlittschuhläufer ernannt.


Kolorierter Holzschnitt mit dem Sturz Lidwinas, aus der Vita des Johannes Brugman, Ausgabe von 1498





Quellen


A. M. Choyke/L. Bartosiewicz, Skating with Horses: Continuity and Parallelism in Prehistoric Hungary. Rev. Paléobiologie 10, 2005, 317–326.

Sigrid Czeika: Eine aus dem Schienbeinknochen eines Equiden hergestellte frühneuzeitliche Knochenkufe der Grabung Wien 1, Wipplingerstraße 35 Stadtarchäologie Wien. Fundort Wien Berichte zur Archäologie 15/2012.

Wägner, Wilhelm. 1882. Nordisch-germanische Götter und Helden. Otto Spamer, Leipzig & Berlin. S. 190.

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