Eine kulturgeschichtliche Spurensuche zwischen Mythos, Aberglauben und Naturphänomen

Heute, am 29. März wird im deutschsprachigen Raum und weiten Teilen Mitteleuropas eine partielle Sonnenfinsternis zu beobachten sein – sich ein eindrucksvolles Himmelsereignis, das nur bei Neumond möglich ist! Der Neumond steht heute im Sternzeichen Widder, um ca. 11:57 Uhr. Eine totale Sonnenfinsternis zieht über Nordamerika hinweg. Was für uns heute ein berechenbares Naturphänomen ist, war für die Menschen früherer Jahrhunderte ein zutiefst erschütterndes Ereignis. Wenn sich mitten am Tag die Sonne verdunkelte, war das für viele ein Zeichen des Himmels – oft gedeutet als Vorzeichen für Krieg, Krankheit oder göttlichen Zorn. In diesem Beitrag beleuchten wir, wie Sonnenfinsternisse in alten Zeiten gedeutet wurden – in Mythen, Aberglauben, Ritualen und astrologischen Deutungen. In vielen Mythologien stellte die Verfinsterung eine dürsteres Zeichen dar, etwa in der germanischen, in der der Fenriswolf die Sonne zu verschlingen droht!
Der Mond schiebt sich heute zwischen Sonne und Erde und wirft seinen Schatten auf die Erdoberfläche. Dabei wird der Mond die Sonne nur teilweise verdecken – je nach Standort beträgt die Bedeckung zwischen wenigen Prozent und etwa einem Viertel der Sonnenscheibe. Im deutschsprachigen Raum wird das Ereignis gut sichtbar sein, zumindest dort, wo der Himmel nicht bedeckt ist. Die stärkste Bedeckung wird auf Sylt mit rund 25 % erreicht. In Wien und vielen anderen Regionen Österreichs lässt sich die Finsternis ebenfalls vollständig verfolgen. In Klagenfurt beginnt die Sonnenfinsternis um 11:36 Uhr und endet um 12:50 Uhr. In Graz ist das Himmelsereignis von 11:39 Uhr bis 12:51 Uhr sichtbar. In der Bundeshauptstadt Wien lässt sich die Finsternis zwischen 11:41 Uhr und 12:54 Uhr beobachten.

Die Finsternis beginnt über dem westlichen Atlantik nahe der USA und zieht in nordöstlicher Richtung weiter. Während Nordwestafrika gerade noch vom Halbschatten des Mondes gestreift wird, liegt ganz West-, Mittel- und Nordeuropa im Sichtbarkeitsbereich. Im Norden reicht die Beobachtbarkeit bis an die Tag-Nacht-Grenze der endenden Polarnacht; im Osten wandert der Halbschatten bis weit nach Asien. Die maximale Verfinsterung erreicht Nord-Labrador (Kanada) mit beeindruckenden 93 % Bedeckung.

Diese Finsternis ist die erste im deutschsprachigen Raum seit dem 25. Oktober 2022 – nach einer Pause von 42 Monaten. Die nächste Gelegenheit, eine Sonnenfinsternis in unseren Breiten zu sehen, wird der 12. August 2026 sein – dann allerdings mit deutlich spektakulärerer Wirkung.
Was passiert bei einer Sonnenfinsternis?
Eine Sonnenfinsternis entsteht, wenn sich der Mond zwischen die Erde und die Sonne schiebt und dabei ganz oder teilweise das Sonnenlicht verdeckt. Dieses Himmelsereignis ist nur bei Neumond möglich – dann, wenn der Mond auf seiner Umlaufbahn exakt in einer Linie mit Sonne und Erde steht.
Dabei unterscheidet man:
Totale Finsternis: Der Kernschatten des Mondes trifft auf die Erde – die Sonne wird an einem bestimmten Ort vollständig verdeckt.
Partielle Finsternis: Nur der Halbschatten des Mondes fällt auf die Erde – die Sonne wird teilweise verdeckt.
Ringförmige Finsternis: Der Mond steht weiter von der Erde entfernt und erscheint kleiner – ein leuchtender Sonnenring bleibt sichtbar.
Sonnenfinsternisse lassen sich exakt berechnen, da die Umlaufbahnen von Sonne, Erde und Mond regelmäßig verlaufen. Ein bekannter Zyklus zur Vorhersage ist der Saros-Zyklus, der etwa alle 18 Jahre eine ähnliche Finsternis-Konstellation wiederkehren lässt.
Wie oft gibt es Sonnenfinsternisse?
Sonnenfinsternisse sind keineswegs selten. Jedes Jahr treten mindestens zwei, höchstens fünf auf. Im Durchschnitt sind es 2,38 Finsternisse pro Jahr. Zwischen 2000 und 2100 zählt man 224 Sonnenfinsternisse – fast gleich verteilt auf totale, ringförmige und partielle Erscheinungen.
Dennoch ist eine totale Sonnenfinsternis an einem bestimmten Ort ein seltenes Ereignis – manchmal muss man Jahrzehnte warten. Umso größer ist die Faszination, wenn die Dunkelheit über dem eigenen Land hereinbricht – und sich Himmel, Erde und Herz für einen Moment verbinden.

Finsternisse im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens
Finsternisse (Sonnenfinsternis, Mondfinsternis)
Die im Volksmund über Sonnen« und Mond« (insternis umlaufenden religiösen Vor« Stellungen stimmen in weitaus den mei¬ sten Anschauungen überein, so daß es sich empfiehlt, dieselben zusammen zu behandeln. Dabei wird tunlichst von einer Darlegung des astronomischen Vorgangs auszugehen sein, um denselben dann mythologisch zu erklären. Anschließend reiht sich eine Beschreibung der gefähr« liehen Wirkungen, die die F. verursachen, an, sowie deren Abwehrmaßnahmen. End¬ lich folgt einiges über die Ausdeutung der F. in der Astrologie.
I. Mythologisches.
Der astronomische Vorgang der – nur bei Konjunktion (Neumond) – von Sonne und Mond eintretenden Bedeckung der Sonne durch den Mond, Sonnenfinsternis genannt, ist ebenso wie sein Gegenstück, die Mondfinsternis – Verfinsterung des Mondes durch den Erdschatten bei Opposition von Sonne und Mond – eine dem mythischen Bewusstsein der Völker unheimliche Erscheinung.Das sie beschäftigende und ihnen in seinem natürlichen Hergang unerklärbare Phänomen des Verschwindens eines der beiden Himmelslichter, von deren unmittelbarer Bestrahlung das Wohl der Erde abhängt, ergibt sich dem Denken einer primitiven Kulturstufe als ein Kampf des größeren Gestirns und des kleineren mit Geistern usw., durch deren Tod oder Sieg das Weiterbestehen oder der Untergang der Erde bedingt ist.Natürlicherweise werden hierbei Sonne und Mond als göttliche Personifikationen behandelt. Bei dem dem primitiven Bewusstseinsstand eigenen Angst vor Weltkatastrophen ist es begreiflich, wenn die Menschen stets helfend in diese Kämpfe von Sonne und Mond einzugreifen versuchen, sodass sie bei Verfinsterung der Sonne für diese Partei nehmen, bei Verfinsterung des Mondes letzterem beistehen.
Tylor, der die Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der menschlichen Phantasie an den mit den Finsternissen verknüpften Volksmeinungen dargetan hat, ohne indes die gemeinsamen Wesenszüge der in Details oft weit voneinander abweichenden Mythen herauszuarbeiten, ist hierin vortrefflich von Lasch ergänzt worden, der nicht nur die Finsternismythen aus allen Erdteilen zusammenstellte, sondern auch jene bei Tylor fehlende Klassifikation und Reduktion auf bestimmte Vorstellungstypen unternahm.Nach ihm haben wir folgende Typen zu unterscheiden:
Finsternisse entstehen infolge von Ohnmacht, Krankheit oder Tod des verfinsterten Himmelskörpers (Sumatra, Ainu, Hottentotten, Indianer Nordamerikas, Kariben, Inkastämme, Orinokovölker, Araukaner).
Finsternisse entstehen dadurch, dass Sonne und Mond ihren gewohnten Platz am Himmel verlassen haben (nur bei den Völkern des arktischen Amerika: Eskimos, Aleuten, Tlinkit).
Finsternisse werden durch psychische Ursachen, wie Zorn oder Trauer des persönlich gedachten lichtspendenden Himmelskörpers, hervorgerufen (Tlinkit, antike Deutsche des Mittelalters).
Finsternisse werden durch höllische, göttliche oder menschliche Wesen verursacht, die die Gestirne vorübergehend oder dauerhaft – als Ganzes oder in der Fähigkeit, Licht zu spenden – schädigen oder gänzlich zu vernichten drohen:Zauberer als Ursache der Finsternis bei den Queensland-Australiern, den Bakairi in Südamerika, auf Jap in der Südsee.Gott als Veranlasser der Finsternis bei Juden, Polynesiern und Massai in Ostafrika.Tierische Ungeheuer des Himmels oder der Hölle führen Inder, Chinesen, Siamesen, Malaien, Germanen und einige Indianerstämme, Dämonen Kariben und Mexikaner als Urheber der Finsternisse an.
Finsternisse werden durch Sonne und Mond gegenseitig hervorgerufen:Sonne und Mond als streitende Eheleute bei Indianern, einigen Negerstämmen und den Topantunuasu auf Celebes; als liebende Gatten, über deren ehelichen Verkehr die Finsternis diskret ihren Schleier breitet, bei Tahitianern und den Bauern der Oberpfalz.
Sehr wesentlich erscheint mir bei einer Diskussion über die Entstehung der Finsternismythen die Beobachtung, dass der Zivilisationsgrad im Allgemeinen keinen oder doch nur geringen Einfluss auf das Zustandekommen der Anschauungen ausgeübt hat:Ein und derselbe Mythos kann sich bei den verschiedensten, kulturell abgrundtief voneinander getrennten Völkern gleichzeitig finden.Geographische Abgrenzungen der einzelnen Vorstellungstypen sind, wie die vorstehende Übersicht ergibt, nicht möglich (Ausnahme Nr. 2, wenn dies nicht aus Materialmangel zu erklären ist); es kann also nicht an Entlehnung gedacht werden.
Auch eine Stufenleiter der Finsternismythen aufzuzeigen, ist wohl kaum angängig.Alle oben angeführten Vorstellungstypen enthalten den gemeinsamen Faktor einer Vernichtung des gegnerischen Gestirns.Diese Anschauungsweise gehört zu den „elementaren Eigentümlichkeiten“ der Völker und stellt eine Art Kulturgut dar, das auch der naturwissenschaftlichen Aufklärung nicht zum Opfer fällt und ruhig neben deren Ergebnissen fortbesteht – so bei den Azteken, Hindu, Chinesen, Babyloniern und abendländischen Völkern.Solange noch religiöse Impulse in den Menschen schlummern, bedeuten ihnen die kosmischen Vorgänge mehr als Bewegungen der Gestirne gegeneinander;gerade der in den Finsternismythen schlummernde Gedanke, dass beim wirklichen „Tod“ eines der beiden Gestirne das Ende der Welt gekommen ist, rührt an die letzten Zusammenhänge des Kosmos.Der Mythos enthält hier eine tiefe Wahrheit, der gegenüber die naturwissenschaftliche Erklärung eben nur Erklärung ist, da sie das Eigentliche des Vorgangs unberücksichtigt lässt – dass nämlich dem Finsternisphänomen Kräfte zugrunde liegen, von deren Harmonie das Wohl der Erde abhängig ist und die der Mythos in seinen mit persönlichem Willen ausgestatteten Personifikationen viel konkreter umschreiben kann als die abstrakte Erklärung der Naturwissenschaft. In der Treue gegenüber dem Mythos offenbart sich so ein Bewahren von Beziehungen zu den letzten Dingen, von deren Lebenskraft doch das moralische Bewusstsein als Grundlage des Gemeinschaftslebens stets abhängig bleiben wird.
Die Mythen im Einzelnen nachzuzeichnen, geht hier nicht an; nur den germanischen und deutschen Finsternissagen sei noch ein Wort gegönnt.Ausführlichere Finsternismythen hat es unter den Germanen wie bei anderen Völkern sicher gegeben, in denen von wolfsgestaltigen Riesen die Rede war, die Loki – von den Göttern für seine Untaten gefesselt – zu seiner Rache gezeugt hatte.Der mächtigste heißt Mánagarmr (lunae canis) und soll den Mond verschlingen; gelegentlich heißt er auch Hati, dem dann Sköll als Verfolger der Sonne gegenübertritt. Aus diesen Sagen und der Beziehung der Finsternisse auf das Weltende wird es zu erklären sein, wenn in der altschottischen Mythologie einmal von einem Wolf und dem Weltende die Rede ist. Mit diesen Mythenresten hängen noch einige Redensarten zusammen, wie das burgundische dieu garde la lune des loups und die in einem französischen Volkslied auf Heinrich IV. erhaltene Beschreibung der Endzeit, an der die Zähne des Wolfs den Mond erreichen werden.Was im Prognostikonbüchlein des Fischart steht:„Derhalben dürft ihr nicht mehr für ihn (d. h. den Mond) beten, dass ihn Gott vor den Wölfen wolle behüten, denn sie werden ihn dies Jahr nicht erhaschen“, ist aus dem gleichen Glauben zu erklären.Über die schwachen Nachklänge vom Erscheinen der Wölfe bei Weltuntergang und dessen Eintreten nach dem Verschlingen des Monds, die sich in deutschen Kinderreimen wie:„Um elfe kommen die Wölfe,um zwölfe bricht das Gewölbe“,erhalten haben sollen, wird man immer geteilter Meinung bleiben.
Nur in der Oberpfalz scheint in manchen Dörfern bis vor kurzem noch ein lebendiges mythologisches Bewusstsein im Finsternisglauben vorhanden gewesen zu sein.Dank den Bemühungen Schönwerths sind uns einige Finsternissagen dieser Gegend bekannt geworden, die alle die angedeuteten mythologischen Züge enthalten.Eine kurze Wiedergabe einiger dieser Sagen soll den Abschluss dieses Abschnitts bilden:
a) Sonne und Mond feierten einst Hochzeit. Aber der kalte Mond konnte der feurigen Sonnenbraut kein Genüge tun und wollte lieber schlafen.Da wetteten auf Vorschlag der Sonne beide miteinander, dass dem der Tag gehören solle, der zuerst erwachen würde.Der Mond lachte einfältig und schlief ein; die Sonne aber ärgerte sich, war schon gegen 2 Uhr wach und zündete der Welt das Licht an.Sie bekam so den Tag; dem Mond blieb die Nacht.Als sie den Mond weckte, schwur sie, nie wieder mit dem Monde eine Nacht zu verbringen.Doch reute sie es bald; auch den Mond zog es wieder zu seiner Braut. Er hielt alles für Neckerei, und so kommen beide öfters zusammen.Das ist die Zeit der Sonnenfinsternis.Weil sie aber mit gegenseitigen Vorwürfen beginnen, gibt es bald Streit.Keines der beiden Gestirne wird des andern Herr.Die Zeit der Versöhnung verstreicht, und die Sonne muss weiterwandern.Blutrot vor Zorn macht sie sich auf den Weg.
b) Ein Mädchen spinnt in Mondnächten ihre Aussteuer und wird deswegen getadelt. Eines Tages wird sie, während sie schläft, in den Mond versetzt: sie ist zur Spinnerin im Monde geworden.Auch hier arbeitet sie weiter. Ihr Rocken nimmt bei Mondwechsel ab, doch nicht ganz, denn sonst geht die Welt unter.Manchmal ist der Rocken sehr dick. Dann wird das Mädchen müde, ihr Köpfchen neigt sich, und es streift mit seinem Haar an dem Flachs, wodurch der Mond verdunkelt wird.Dann ist Mondfinsternis. Aber sie wird das bald inne und fährt zurück: darum endet die Mondfinsternis oft so plötzlich.
II. Finsternisse im Volksglauben
Das überhandnehmende Böse – Geister machen sich breit, die mit List arbeiten –: Ganz Deutschland kennt den Glauben, dass bei Sonnenfinsternis von Menschen und Vieh weder Wasser noch pflanzliche Nahrungsmittel genossen werden dürfen (vgl. auch: fasten) und dass auf dem Lande vor allem die Brunnen, aus denen das Vieh getränkt wird, zu bedecken sind.In Böhmen bezeichnet man die Sonnenfinsternis direkt als ein Werk des Teufels.Eine siebenbürgische Sage versucht die Vorgänge bei einer Sonnenfinsternis mit folgenden Worten wiederzugeben:„Oft hat sich die helle Sonne mit dicker Finsternis umhüllt, gleichsam als graute ihr vor dem künftigen Verderben der Menschen. Schwere, stinkende Nebel haben sich erhoben, auch viele phantastische Gespenster sich sehen lassen auf den Begräbnissen und Kirchhöfen; ungewöhnliches Hundebellen und der Nachteulen ängstliches Geschrei wurde gehört.“Verderben, Tod – immer kreisen sie um die Gedanken an die Finsternis.Auch Himmelstau scheint bei Finsternis zu fallen, vor dessen gleichfalls giftiger Natur Menschen und Vieh sich in Acht nehmen müssen (Schwaben, Schlesien).Die Version der angeblichen Vergiftung von Brunnen durch Himmelstau steht in einem Erlass des münsterischen Fürstbischofs Franz Arnold, in dem wegen der Sonnenfinsternis die auf den 3. Mai 1715 angesetzte Prozession unter Hinweis auf die Schäden der himmlischen Flüssigkeit auf den 5. Mai verschoben wird (vgl. auch: fasten).
Derartige Warnungserlasse kennen wir aus früherer Zeit mehrfach:So gebot bei der großen Sonnenfinsternis von 1654 der Rat zu Nürnberg, in Speise und Trank sich zu mäßigen und des Wandels im Freien sich zu enthalten, kein Obst oder Gemüse zu genießen und einige Tage das Vieh nicht weiden zu lassen. Man muss bei Finsternissen den Ausbruch einer Seuche erwartet haben.Selbst das Atmen scheint gefährlich: Wie sollte die Vorschrift, bei Sonnenfinsternis das Haus nur zu verlassen, wenn man vorher ein Tuch vor den Mund gebunden hat, anders in ihren Motiven zu verstehen sein?Auch Wäsche, die bei Sonnenfinsternis im Freien gehangen hat, gilt als infiziert.
Aber im Volksglauben bedroht die Sonnenfinsternis sogar den Bestand des Kosmos:Noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts packte die Münchner Angst und Entsetzen vor der Sonnenfinsternis vom 28. Juli 1851.Man glaubte allgemein an den Untergang der Welt, phantasierte von einem Durchbruch des Wallersees und dem Hereinbrechen einer Sintflut.Es hieß, dass Sonne und Mond miteinander zu raufen begännen.Manch braver Münchner machte schleunigst sein Testament.Auch sonst kannte man den Glauben an das Weltende bei Sonnenfinsternis; es tritt dann ein, wenn in dem Kampfe die Sonne unterliegt.Im Mythus wird der Weltuntergang mit endgültiger Vernichtung des Mondes verbunden;er, als der Zeitmesser, stand den Menschen ursprünglich näher, da seine Phasen im Leben sichtbarer verwendet werden konnten als die Bahn der Sonne.Sowie das Jahr als Summe eines Sonnenumlaufs zur Zeiteinheit wurde und die Bedeutung des Mondes für den Kalender zurückdrängte, wird eine Übertragung der Weltuntergangsvorstellungen von der Mondfinsternis auf die Sonnenfinsternis eingetreten sein;ein Rest dieses Mythus scheint in den oben ausgeführten Vorstellungen sich noch erhalten zu haben.
Die Zähigkeit, mit der der Mythus sich hier bis in den Volksglauben gerettet hat, wird nur verständlich, wenn man daran denkt, dass auch in den biblischen Büchern gelegentlich sehr eindrucksvoll Weltuntergang und Finsternis kombiniert erscheinen.Davon berichtet vor allem die Offenbarung des Johannes.Hier hat also das Christentum trotz der Predigten des Eligius (ca. 588–658 [650?]) und Hrabanus Maurus (ca. 776–856) der Superstition eher Vorschub geleistet als sie bekämpft.Verse wie Apokalypse 6,12 f. (Öffnung des 6. Siegels):
„Und siehe, … die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack, und der Mond ward wie Blut (vgl. Joel 3,4) … und die Könige auf Erden und die Großen und die Reichen …verbargen sich in den Klüften und Felsen an den Bergen und sprachen zu den Bergen und Felsen:Fallet über uns und verberget uns vor dem Zorn des Lammes; denn es ist gekommen der große Tag seines Zorns – und wer kann bestehen?“
nahmen sich ja fast wie eine Bestätigung der germanischen Anschauungen aus.
III. Abwehrmaßnahmen gegen die Einflüsse der Finsternis
Abwehrmaßnahmen gegen die Einflüsse der Finsternisse existieren begreiflicherweise sehr zahlreich.Wie andere heidnische Völker haben auch die Germanen geglaubt, die bösen Geister, die sich überall einnisten, schrecken zu müssen – vor allem den, der den Mond zu verschlingen drohte –, um vor den bösen Folgen der Finsternisse bewahrt zu werden.Trat eine Mondfinsternis ein, so erhob das Volk ein großes Geschrei und dachte, dem mit dem feindlichen Ungeheuer ringenden Mond zu Hilfe zu kommen, wenn es in einem fort schrie vince luna.So berichten Eligius und Rhabanus Maurus; ihre Mitteilungen werden ergänzt durch die Nachrichten des der karolingischen Zeit angehörenden Indiculus superstitionum et paganiarum und Burchards von Worms (ca. 963–1025).Die nordischen Sagen, die – wie wir sahen – die Verschlingungsmythen sehr ausführlich darlegen, erwähnen das Abwehrgeschrei nicht.Ob man daraus aber mit Panzer den Schluss ziehen darf, dass unter Kelten und Römern diese Form der Abwehr gebräuchlicher war als unter den Deutschen, scheint sehr fraglich.Nichts liegt dem primitiven Menschen näher als der Gebrauch abwehrender Formeln, die – von einer bedrohten Gesamtheit gesprochen – den geisterschreckenden Lärm hervorrufen.Von den antiken Völkern wie auch von den östlichen Europäern wird immer mit Hilfe von Geschrei die Gefahr gebannt.
Aufs engste mit den helfenden Rufen verbunden ist das gleichfalls auf der ganzen Welt verbreitete Erzeugen von ehernen, klingenden Geräuschen.Der Brauch, bei Finsternissen Becken, Sensen, Pfannen usw. zu schlagen, ist ebenso alt wie das Schreien und wohl – trotz des Fehlens eines direkten Zeugnisses – auch für die frühen Deutschen zu postulieren.Eisen- und Erzklang vertreiben auch sonst böse Geister.Dieser Abwehrritus hat sich bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch vielerorts in Deutschland erhalten, vor allem in Böhmen und der Oberpfalz.
Andere Gegenden Deutschlands verzichten heute auf die Ausübung der Lärmgeräusche.Sie suchen ihre Zuflucht allein im Gebet, welches seit der Christianisierung des Landes an die Stelle älterer Beschwörungsformeln (vince luna) getreten ist.So wird aus Oberschwaben gemeldet, dass in manchen Orten bei einer Sonnenfinsternis Betstunden abgehalten wurden.Ob das noch heute geübt wird, entzieht sich meiner Kenntnis; wichtig ist diese Nachricht als letztes Relikt einer im Mittelalter und der Neuzeit weit verbreiteten Abwehrmaßnahme.Denn es wird uns des Öfteren aus dem 13.–18. Jahrhundert berichtet, dass gerade vor dem Eintreten von Sonnenfinsternissen die Menschen die Beichtstühle und Kirchen füllten, um von ihren Sünden befreit zu werden – über die Gott zürne, wenn die Sonne der Erde ihr Antlitz entzieht.
Hier trafen wieder heidnischer und Bibelglaube zusammen.Hoch und niedrig teilten ihn.Selbst Martin Luther, so abhold er sich sonst der Einzelauslegung sideraler Erscheinungen gegenüber verhielt – im Gegensatz vor allem zu Philipp Melanchthon –, nannte doch Gewitter, Stürme usw. Äußerungen des göttlichen Zorns, die geschehen seien zur eigenen Besserung. Er stützte seine Anschauungen auf die Überlieferungen vergangener Zeiten.Die vielen Unglücksfälle, die – wie in den Chroniken notiert ist – sich zu Zeiten der Sonnenfinsternis ereigneten, ließen ihn die Äußerung tun, dass „allzeit ein solch Zeichen der Sonnen eine Bedeutung gewesen (sei) eines großen Unfalls, der hernach gefolget hat“.Diese Worte Luthers erhalten eine interessante Bestätigung durch die sicher glaubwürdige Nachricht, dass Luther die Sonnenfinsternis im April 1539 vom Anfang bis zu Ende unter ständigem Gebet aufmerksam verfolgt haben soll.
Eine fürstbischöfliche Anordnung vom Jahr 1654 empfiehlt als Sicherheit gegen die Gefahren der bevorstehenden Sonnenfinsternis – neben dem Schlucken von Pillen (gegen die in Luft und Wasser verbreiteten Gifte) – ein zweitägiges Fasten (vgl. dort).Vor den angeblichen Gefahren seitens der auf den 1. April 1764 für Frankreich angesagten Sonnenfinsternis beruhigte die Gazette de France die erregten Gemüter durch folgende Anzeige:„Die Pfarrer zu Stadt und Land werden eingeladen, am 4. Sonntag der Fastenzeit den Gottesdienst früher als gewöhnlich zu beginnen, wegen der Sonnenfinsternis, die etwa um 10 Uhr Dunkelheit verbreiten wird.“Die Ankündigung ist verbunden mit der Aufforderung, das Volk zu beruhigen und im aufklärerischen Sinne über den wahren Hergang des Phänomens zu belehren.
Aber trotz der Aufklärung sind die Furchtvorstellungen erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts gewichen – und auch nicht überall in Europa:Noch zur Mondfinsternis vom 27. Februar 1877 wird aus Konstantinopel berichtet, dass die Bevölkerung glaubte, ein kolossaler Fisch zeige sich am Himmel, um den Mond zu verschlingen.Man lärmte und schoss, um das böse Tier zu verscheuchen; als alles nichts half, vereinigte man sich zu Prozessionen und gemeinsamen Gebeten.Ähnliches wird aus der Türkei von der Sonnenfinsternis vom 15. Mai 1877 berichtet.
Endlich sei noch einer Reinigungszeremonie gedacht:Bei Sonnenfinsternis wirft man nämlich in der Oberpfalz Brosamen ins Feuer – doch wohl, um das Brot von den infizierenden Giften symbolisch zu reinigen.Ähnlich wird es zu erklären sein, wenn man kein Kraut und keine Frucht, die während der Finsternis im Freien waren, genießen darf, bevor sie nicht durch Regen wieder gereinigt sind.
Von dem Heimtreiben des Viehs, dem Bedecken der Brunnen als Schutzmaßnahme, war schon oben im Abschnitt II die Rede.Der Brauch ist ziemlich über ganz Deutschland, ferner auch in Westböhmen verbreitet und bedarf keiner weiteren Erklärung.
IV. Finsternisse und Zauber
Da durch Finsternisse böse Geister entfesselt werden, ist es verständlich, wenn sie vor allem im Zauber eine große Rolle spielen.Wie Dämonen, so können auch böse Zauberer den Mond peinigen und ihn zum Schrecken der Erdbewohner bedrohen, verfinstern und auf die Erde herabholen. Im Altertum war der Glaube lebendig, dass die Mondfinsternis ein Werk thessalischer Hexen sei; nicht nur literarische, sondern auch bildliche Zeugnisse bestätigen das.
Der deutsche Volksglaube verbindet mit der Mondfinsternis stellenweise (Schwaben und Oberpfalz) das Erforschen von Geheimnissen:Wenn man einen Kübel voll Wasser in den Hof stellt und den verfinsterten Mond anschaut, tut man Blicke in die Zukunft.In Böhmen muss der Goldgräber die Sonnenfinsternis abwarten, denn sie ist seinem Tun günstig.Auch die aus Schlesien bezeugte Vorstellung, dass derjenige, der sich bei einer Sonnenfinsternis in einem Zuber voll Wasser besieht, eine große Sünde begehe, muss mit der Sündhaftigkeit des zauberischen Tuns bei Finsternissen zusammenhängen.
V. Spezielle astrologische Deutung
Neben der Bibel nährte den Glauben an das schreckliche Phänomen der Finsternis seit dem Beginn der Neuzeit auch die Astrologie, die natürlich an dieser Erscheinung nicht vorübergehen konnte und seit ihrer Begründung nicht vorübergegangen ist.Zwischen ihrer Lehre und dem Volksglauben besteht aber ein gewaltiger Unterschied – nicht in der zukunftskündenden Deutung, sondern in der Auffassung der Finsternis im rein wissenschaftlichen Sinne.Die Unbedingtheit der astrologischen Lehre mag daher weder mit dem Rankenwerk der Mythologie noch mit den Abwehrriten des Volksglaubens etwas zu tun haben.Ihre, von Hermes oder anderen Urgöttern beglaubigte Tradition, lehrt das Eintreten böser Ereignisse infolge der Finsternis.
Die astrologische Deutung der Finsternis bezieht sich teils auf Witterungs- und Erntevorgänge, teils auf Krankheit, teils auf kommende politische Ereignisse.In Mecklenburg glaubt man an strenge Kälte, wenn im Winter eine Mondfinsternis eintritt.Ebenda heißt es, dass eine Sonnenfinsternis im Frühling zwar Wein hervorbringt, aber den Kornertrag schädigt.Die Wenden schließen auf baldige nasse Witterung, wenn Sonnen- und Mondfinsternis in demselben Monat eintreten.Das alles ist nicht verschieden von dem, was wir in den zahlreichen Prognostikenschriftchen des 16. Jahrhunderts lesen, dass z. B. aus den beiden Finsternissen von 1599 auf mittelmäßige Ernte geschlossen wird:„Jedoch ist zu besorgen, dess Ungewitters halben, welches durch die Finsternussen auch bösen Aspekt andeuten wird, den Früchten an etlichen Orten ein ziemlicher Abbruch geschehen möchte …“So stand es schon in den Kapiteln über Sonnen- und Mondfinsternis bei den alten, der hellenistischen Zeit angehörenden ägyptischen Astrologen Nechepso-Petosiris.
Viel ausgebreiteter als die Wettervorhersagen sind in den Practicae und astrologischen Lehrbüchern die Verbindungen von Finsternissen mit Krankheit, Krieg, Tyrannenvertreibung usw.Schon in den antiken Finsterniskapiteln ist den medizinischen und politischen Wirkungen ein viel größerer Raum gegönnt als den meteorologischen.Auch im frühen Mittelalter blieb – dank der Bibel (vgl. Abschnitt II) – der astrologische Glaube an den Einfluss der Sonnenfinsternis auf das politische Schicksal der Völker lebendig.In der Vita Caroli 32 berichtet Einhard von der Sonnenfinsternis vor Karls des Großen Tod und vermehrt damit die uns bekannte Reihe großer Leute, deren Tod die Antike mit einer Sonnenfinsternis verband, um ein bezeichnendes Beispiel.Zu den Jahren 1133 und 1239 notieren italienische Annalenwerke Finsternisse und kombinieren dieselben mit den politischen Ereignissen dieser Zeit.Dabei ist besonders noch die Beziehung der Finsternis zu den Qualitäten der Planeten und Tierkreisbilder (vgl. Horoskopie) beachtet worden, wodurch die Finsternis je nachdem in ihrer Wirkung gesteigert oder gemildert wurde.
Ein Prognostikum-Kapitel über die Sonnenfinsternis von 1556 mag die weitreichenden Folgen solcher Kombinationen veranschaulichen:
„Dis finsternuß verkündet, dass Mars ihr Führer ist / Der Anfang bedütet bürgerliche Kriege / viel Gefangenschaft / Totschlag / fürnemlichen martialischen Leute.Eclipsis mittel wil Anzeigung thun vieler Widerwärtigkeit / Hochmut der Krieger, Ungewitter, unstete Luft / Verderbung dess Fürgesetzten / Ein Ankunft eines ausländigen, frötnden Tyrannen / das auch der recht anerboren Herr verachtet und verjaget werd.Zeigt weiter giftige, pestilenzische Krankheit / Bocken / Fratzosen / Bauchlauff / wird vorab ein gefährliche Zeit sein den Menschen, so erboren sind unter dem anderen auch dritten Decamoria (vgl. Horoskopie) Scorpij.Item, dengso die Sonn im Anfang der dritten Decamone des Widders habend, und dise alle, so in folgenden Ländern und Städten wohnend, werden dieser Finsternis Bedeutung, Straf und Unfall nicht leichtlich überhaben sein: als do ist das Land Capadocia, Judea, Idumea, Mauritania, Nordwegia, Bavaria superior, Parthia, Media, Persia, Asia minor, Neapolis, die Städte Aquileia, Terni, Palai, Forum Julium, Genua, Bologna, Bern Dieterich, Salerno, Ancona, Novara, Florenz.“
VI. Geschichtliches zur astrologischen Finsterniserklärung.
Während sich bei den Witterungs- und Ernteweissagungen aus den Finsternissen noch einiges aus der uralten astrologischen Tradition bis heute erhalten hat, ist der Glaube an die Einflüsse der Finsternisse auf den Gesundheitszustand der Menschheit und auf kommende politische Ereignisse großenteils ein Opfer der Aufklärung geworden.Begreiflicherweise verzichten auch die modernen Astrologen darauf, den schädigenden Einflüssen der Finsternisse das Wort zu reden.Bis ins 17. Jahrhundert nach Christus indes sind in der Tradition des astrologischen Lehrgebäudes der Auslegung der Finsternisse große Ausführungen gewidmet, in denen – je nach der Stellung des verfinsterten Gestirns in den Zeichen des Tierkreises und rücksichtlich seiner Beziehung zu den anderen Planeten – die Zukunft enträtselt wird.
Die deutsche Astrologie des 15. bis 16. Jahrhunderts, durch die Renaissance-Astrologen propagiert, ist der letzte Ausläufer jener geistig-religiösen Bewegung, die vom Mutterlande der Astrologie – Babylonien – über Ägypten ins römische Reich eindrang und von hier im Norden die Deutschen und im Osten die Juden und Araber erreichte, um durch diese erneut den Byzantinern, Italienern und Deutschen mitgeteilt zu werden.So finden wir bei den Babyloniern bereits die gleichen Ausdeutungsversuche der Finsternisse;indes bezogen sich damals die beiden Gestirne Sonne und Mond – nach der astrologischen Grundanschauung vom Harmonieren von Makrokosmos und Mikrokosmos und der vorbildenden Tätigkeit des Mikrokosmos – noch stets auf die exponierten Gestalten des Landes, die Könige (außerdem natürlich auf die Witterung).
Im Hellenismus – dessen Astrologie, wie gelegentlich gezeigt werden konnte, stellenweise nur eine differenzierende Erweiterung der babylonischen Astrologie darstellt – begegnen die gleichen Ideen; Nechepso-Petosiris und seine Exzerpisten sind voll von Finsternisdiagnosen, die stets das Wohlergehen des Landes und des Herrschers zum Thema haben.Nicht anders bei den Arabern.Dass die deutsche Astrologie der beginnenden Neuzeit gleichfalls nur die Erbin dieser Gedanken ist, beweist neben der oben in Abschnitt V angeführten Stelle aus einem Prognostikum auf das Jahr 1557 auch Theophrastus Paracelsus in einem Traktat über die Sonnenfinsternis und in einem Prognostikum auf das Jahr 1537 – nur, dass die Dinge hier schon recht ins Allgemeine gezogen erscheinen.
Bemerkt sei noch, dass die altorientalische und die antike Astrologie der Griechen des Öfteren auch atmosphärische, d. h. durch Wolken verursachte Sonnen- und Mondfinsternisse behandelt;sie werden auch später gelegentlich noch berücksichtigt.
Finsternisse in der mordischen Mythologie: Zwei Wölfe jagen Sonne und Mond
In der nordischen Mythologie sind Finsternisse ein Anzeichen dafür, dass Übles bevorsteht. Zwei Wölfe spielen dabei eine wesentliche Rolle. Die beiden Zwillingsgeschwister, die Wölfin Skalli (auch Sköll) "Spott" oder "Täuschung") und ihr Bruder Hati ("Hass") sind riesige Wölfe, die von Fenrir (dem Fenriswolf) und der Riesin Gyge (der "Alten vom Eisenwald") abstammen und die sie im Jarnwid-Wald zur Welt brachte. Hati verfolgt den Mondgott Mani, während Skalli der Sonnengöttin Sól nachstellt. Die Göttin Sól rast mit einem Sonnenwagen übers Himmelzelt. Gezogen wird er von den Pferden Arvakr (Frühwache) und Alsvidr (Allgeschwinde). Der Schutzschild Swalin schützt den Wagen vor der Hitze des Gestirns.

Während Skalli die Göttin verfolgt, treibt auch Sól ihre Pferde zur Eile an. Hati hetzt dem Wagen Manis über den Himmel nach und treibt den Mond zur Eile an. Und dabei kommt es zur Mondfinsternis. Denn bei einer Mondfinsternis geschieht das, was an diesem Freitag zu bestaunen ist: Hati kommt dem Gefährt Manis gefährlich nahe.
Bis Skalli in seiner Mission erfolgreich ist, ist er für die extreme Hitze des Sommers verantwortlich ist. Skalli soll stärker und beweglicher als seine Schwester sein und seine Kraft aus den starken Nordwinden beziehen.
Während Hati oft als böses Wesen bezeichnet wird, wird Skalli eher als neutrale und chaotische Figur angesehen.

Am Tag des Weltunterganges – dem sogenannten Ragnarök – werden die Wölfe die Gejagten einholen. Daraufhin sollen Sterne vom Himmel fallen. In der Folge beginnt die Erde zu beben; alle Bäume werden entwurzelt, sämtliche Berge stürzen. Hati wird den Mond stellen, und Managarm ("Mondhund"), durch das Leichenfleisch zum größten und stärksten seiner Brut geworden, wird ihn verschlingen. Das Blut des Mondes wird auf die Sonne spritzen und sie verdüstern. Der Mond wird verschlungen, das verspritzte Blut wird die Sonne verdunkeln. Aus der untergehenden alten Götterwelt der Asen wird eine neue Welt entstehen. Die Ragnarök (das altnordische Wort für "Schicksal der Götter") ist die nordische Sage von Geschichte und Untergang der Asen. Sie ist in der Nordischen Mythologie gleichbedeutend mit dem Weltuntergang.

Die Sonne wird Asen zugerechnet. Asen ist der altnordische Name für „Ural æsir“, nach dem isländischen Schriftsteller Snorri Sturlusourluson (1179–1241) und seiner Prosa Edda ein Göttergeschlecht der nordischen Mythologie. Daneben gibt es noch das kleinere Göttergeschlecht der Wanen.

Der altnordische Name „Sól“ bedeutet „Sonne“. Im Althochdeutschen und Altsächsischen heißt sie „Sunna“. „Sunna“ oder Sól“ sind die personifizierte göttliche Sonne. Die Sonnengöttin Sól ist die Tochter von Mundilfari, Schwester des Mondgottes Máni und Gattin des Glenr. Die Sonne selbst wurde von den Asen aus einem Funken geschlagen. Entgegen anderer Sprachen ist der Mond im Deutschen maskulin und die Sonne weiblich.

Doch der Mythos endet nicht in Dunkelheit.
Nach dem großen Weltenbrand erhebt sich eine erneuerte Erde – gereinigt, jung, fruchtbar. Die Sonne kehrt zurück, in Gestalt ihrer Tochter. Die überlebenden Götter versammeln sich, und zwei Menschen – Líf und Lífthrasir – treten aus dem Schutz der Weltenesche Yggdrasil hervor, um das Leben neu zu beginnen.
„Grüner wird’s wieder, die Flüsse fließen,der Adler fliegt und das Gold wird gefunden,der Acker trägt ohne Saat und Mühe –es kehrt der Frieden, in einer Welt nach dem Sturm.“
In dieser Vorstellung spiegelt sich vielleicht ein Urbild menschlicher Hoffnung: Dass nach der Finsternis das Licht zurückkehrt – nicht einfach wie zuvor, sondern verwandelt. Und so ist auch jede Sonnenfinsternis nicht nur ein Schatten über dem Tag, sondern ein Zeichen für den ewigen Rhythmus von Ende und Neubeginn.

Erwähnt werden die Namen Líf und Lífthrasir in der 45. Strophe der Vafþrúðnismál, einem Edda-Lied, das in Rätselform von der Weisheit der Götter und Riesen berichtet. Der als Wanderer verkleidete Odin stellt dem Riesen Vafthrúdnir die Frage, wer die menschlichen Überlebenden des Fimbulwinters seien – jenes endzeitlichen Winters, der Ragnarök unmittelbar vorausgeht. Der Riese antwortet richtig: Líf und Lífthrasir seien die Namen jener beiden Menschen, die sich im Hoddmímirs Holz verbergen und vom Morgentau leben werden, bis aus ihrer Linie ein neues Menschengeschlecht hervorgeht.
Auch Snorri Sturluson greift diesen Gedanken in der Gylfaginning (Kap. 53) auf:
„An einem Ort, Hoddmímirs Holz genannt, verbargen sich während Surts Lohe zwei Menschen, Líf und Lífthrasir genannt, und nährten sich vom Morgentau. Von diesen beiden stammt ein so großes Geschlecht, dass es die ganze Welt bewohnen wird.“
Der Name Líf bedeutet wörtlich „Leben“, Lífthrasir lässt sich als „der Lebensstarke“ oder „Lebensmutige“ deuten oder an manchenn Stelle auch als „Lífs Geliebter, Geliebter des Lebens, Lebensfreude“. Beide stehen sinnbildlich für die unzerstörbare Lebenskraft der Menschheit – für das Überleben selbst, das selbst in der tiefsten Finsternis einen Keim von Zukunft bewahrt.
Dass sie sich vom Tau des Morgens nähren, unterstreicht die Symbolik: Nach der alles verzehrenden Glut Surts (des Feuerriesen) ist es nicht Feuer oder Stärke, das neue Leben bringt – sondern das zarte, leise Wiedererwachen eines neuen Tages.
Líf gilt in der nordischen Mythologie als die Frau – die weibliche Hälfte des Menschenpaares, das Ragnarök überlebt.
Herkunft und Bedeutung:
Líf bedeutet wörtlich „Leben“ (altnordisch: líf).
Lífthrasir lässt sich als „der Lebenskraft-Starke“ oder „der Lebenskühn-Mutige“ deuten (aus líf = Leben + þrasir verwandt mit „kühner Streiter“ oder „Tatkraft“).
Interpretation:
In mythologischer Lesart verkörpert Líf das nährende, bewahrende Leben, das überdauert, während Lífthrasir die aktive, durchhaltende Lebenskraft darstellt. Gemeinsam stehen sie für das Weiterleben der Menschheit nach dem Weltuntergang – sie sind also so etwas wie ein „Urpaar“ der neuen Welt, vergleichbar mit Deukalion und Pyrrha in der griechischen Mythologie oder mit Noahs Familie im biblischen Kontext.
Quellen
HOFFMANN-KRAYER, E. & BÄCHTOLD-STÄUBLI, H. (1927): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. (10 Bände), in der Reihe Handwörterbücher zur deutschen Volkskunde, De Gruyter.
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