top of page

Schultüte & Tafelklässler


Die Kinder der östlichen Bundesländer sind bereits wieder seit einer Woche in der Schule. Für die Kinder Westösterreichs (Steiermark, Salzburg, Oberösterreich, Kärnten, Tirol und Vorarlberg) geht es morgen wieder los! Besonders spannend wird es für die Taferlklassler, die Kinder der ersten Stufe Volksschule. Stolz werden sie – wie die Generationen vor ihnen – ihre Schultüten präsentieren. Ihre Geschichte ist schon mehr als 200 Jahre alt. Wie war die Schule früher?






Schul- & Zuckertüten

Die Tradition, Kindern an ihrem ersten Schultag eine Schultüte zu schenken, ist älter als angenommen: Sie hat ihren Ursprung im 19. Jahrhundert und ist besonders in Sachsen und Thüringen nachgewiesen. Frühe Belege stammen aus diesen Regionen und erwähnen, dass Schulanfänger Zuckertüten erhielten. Seitdem hat sich der Brauch nach Österreich und Tschechien verbreitet.


Die Schultüte enthält normalerweise Süßigkeiten und kleine Geschenke wie Buntstifte oder Schulmaterial. In einigen Regionen wird sie auch als "Zuckertüte" bezeichnet, aufgrund ihres Inhalts.

Die kleine Bertha geht vorsichtig die Treppe hinunter, um ihre Zuckertüte nicht in Gefahr zu bringen. Aus: Neues Zuckerdütenbuch (1859)


Es gibt unterschiedliche Formen von Schultüten, wobei sechseckige Tüten in der ehemaligen DDR und runde Tüten im Westen Deutschlands bevorzugt wurden. Die Länge der Schultüten variiert normalerweise zwischen 70 cm und 85 cm.


Geschneuzt und gekampelt: eine kleine Hamburgerin an ihrem ersten Schultag 1956. (Bild: picture-alliance / United Archiv/Alexander Wittmann), restliche Bilder: Wolfgang Büscher


Die Schultüte wird entweder von den Eltern selbst gebastelt oder fertig gekauft. In einigen Gemeinden, wie in der Vogtei in Thüringen, werden auch Zuckerschachteln an Schulanfänger ausgegeben, die mit Bildmotiven und Sprüchen verziert sind.


Die größte Schultütenherstellerin in Deutschland ist die Nestler Feinkartonagen GmbH in Ehrenfriedersdorf im Erzgebirge, die jährlich über zwei Millionen Schultüten produziert.



Schulranzen & Federschachtel

Dieser darf natürlich auch nicht fehlen, gut bestückt mit Federschachtel oder Federpenal, wie man in Österreich sagt. Das Wort "Pennal" ist eine österreichische Bezeichnung für einen Federkasten oder ein Etui, in dem Schreibmaterialien wie Stifte, Bleistifte und andere schulische Utensilien aufbewahrt werden. Das Wort leitet sich vom lateinischen "penna" ab, was "Feder" bedeutet, und es bezieht sich auf die Tatsache, dass in solchen Etuis früher oft auch Federn zum Schreiben aufbewahrt wurden.


Federschachtel 1930er Jahre, Federmäppchen 1920er Jahre


In anderen Regionen Deutschlands und im deutschsprachigen Raum werden ähnliche Begriffe wie "Federmappe" oder "Federetui" verwendet.



Historisch hat sich der Schulranzen aus dem Rucksack (Tornister), dem Kalbfell- und Segeltuchtornister des Soldaten, entwickelt. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts fand der Schulranzen allgemeine Verbreitung. Bis Mitte der 1970er Jahre wurden Schulranzen fast ausschließlich aus Leder und Leinen, teils zusätzlich mit Fell (meist Kalbs- und Kuhfell) kaschiert, gefertigt.


Alte Federschachtel mit integriertem Rechenschieber


Seit Mitte der 1970er Jahre werden Schulranzen überwiegend aus textilen Geweben und Kunststoffen hergestellt. Der körpergerechte Leichtschulranzen aus Nylon geht auf eine Erfindung des Österreichers Georg Essl III. zurück. Traditionell unterscheiden sich die Schulranzen für Mädchen und Jungen. Beim traditionellen Schulranzen aus Leder oder Leinen hatte der Schulranzen für Jungen eine lange Klappe, der für Mädchen hingegen eine kurze. Der traditionelle Schulranzen für Jungen war mit Riemchen (Rollschließen) ausgestattet, die im Laufe der Zeit durch Steckschließen ersetzt wurden. Der traditionelle Schulranzen für Mädchen besaß demgegenüber sich auf der Klappe kreuzende Riemen, die dem Verschließen des Schulranzens dienten.


Die traditionell geschlechtsspezifisch ausgerichtete Gestaltung von Schulranzen hat sich weitestgehend erhalten: Heute richtet sich die überwiegend kindlich bunt gehaltene Motiv- und Farbgebung der Schulranzen entweder auf Jungen (zum Beispiel Autos, Ritter, Fußball) oder auf Mädchen (rosa Feen, Elfen, Pferde). Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit werden Schulranzen zusätzlich oft mit Signalfarben und Reflektoren ausgestattet. Die meisten modernen Schulranzen haben an der Außenseite zusätzlich kleinere Außentaschen, etwa zur Aufbewahrung einer Trinkflasche oder Brotbüchse.




ABC-Schützen & Taferlklassler

Umgangssprachlich gibt es verschiedene Bezeichnungen für Schulanfänger je nach Region und Tradition. In Mittel- und Süddeutschland nennt man sie "Erstklässler", in Südostdeutschland und Ostösterreich spricht man von "Erstklasslern" und "Taferlklasslern". Im Rheinland werden sie als "i-Dötzchen" bezeichnet, abgeleitet von "Dotz" oder "Dötzken", was im rheinischen Dialekt ein kleines Kind bedeutet. Das "i" in "i-Dötzchen" bezieht sich auf den Buchstaben "I", der traditionell der erste Buchstabe ist, den Schulanfänger lernen. Andere Bezeichnungen sind "i-Männchen" in Westfalen, "Abecedarier" und "Abc-Schütze", wobei diese Begriffe mit dem Lernen des Alphabets in Zusammenhang stehen. Das Wort "Schütze" könnte entweder auf das lateinische Wort "tiro" für Anfänger oder auf einen Spottnamen für herumwandernde Schulknaben zurückzuführen sein.



Die Bezeichnung 'Taferlklassler' kommt von den Schiefertafeln, die die Schulanfänger mit sich trugen. In Österreich gibt es ein altes Volksschulgedicht:

„Erste Klasse: Tafelkratzer. Zweite Klasse: Tintenpatzer. Dritte Klasse: Luftballon, Vierte Klasse: Flieg davon."

In der 1. Klasse mussten Schüler früher mit Griffeln auf kleinen Schiefertafeln schreiben. Mit dem Federstiel durften sie erst ab der 2. Klasse hantieren


Keinesfalls durfte der Schiefergriffel fehlen:





Klassenzimmer einst

Das Aussehen der Schulen im 19. Jahrhundert variierte stark je nach ihrem Standort. Dorfschulen bestanden oft aus einem einzigen Klassenzimmer, über dem sich die Wohnung des Lehrers, auch bekannt als Schulmeister, befand. Viele Lehrer hatten zusätzlich zu ihrem Unterrichtsauftrag auch andere Berufe.


Die Klassenzimmer waren spärlich eingerichtet und enthielten nur das Notwendigste. Dazu gehörten Bänke und Tische für die Schüler sowie ein Pult (Katheder) für den Lehrer. In einigen Schulen war das Lehrerpult auf einem erhöhten Podest platziert, um eine bessere Übersicht über die Klasse zu ermöglichen. Im Klassenzimmer gab es auch eine Wandtafel, Wandkarten oder einen Globus, ein Kreuz, einen Rechenrahmen (Abakus) und gelegentlich ein Klavier. Es war üblich, ein Bild des aktuellen Herrschers im Klassenzimmer aufzuhängen, beispielsweise das Bild des Kaisers.


Um die Schulen im Winter zu beheizen, gab es einen Ofen im Klassenzimmer. Die Schüler waren zum Teil verpflichtet, Holz von zu Hause mitzubringen und den Ofen regelmäßig zu reinigen, um für Wärme zu sorgen. Meine Mutter erzählt noch davon, dass sie im Herbst eine lange Schlange bis zum Ofen bilden mussten und die Scheitel vom Holzstapel bis nach drinnen weitergereicht wurden.

Klassenzimmer im Freilichtmuseum Stübing (Bild: Hans Baier)



In früheren Zeiten bestand eine Schulklasse aus bis zu 60 Kindern aus verschiedenen Klassenstufen. In der Regel waren die Kinder 6 bis 12 Jahre alt. Heute wären das die Klassen1 bis 7 zusammen. Sie saßen alle gemeinsam in einem Raum und wurden von einem Lehrer unterrichtet. Manchmal gab es noch einen zusätzlichen Hilfslehrer. Lehrerinnen waren eher selten. Der Lehrer war sehr streng und achtete genau auf die Einhaltung der Schulregeln. Wenn der Lehrer den Raum betrat, standen die Kinder auf und begrüßten ihn im Chor. Wollte man auf eine Frage des Lehrers antworten, musste man sich ordentlich melden. Wurde man aufgerufen, stand man auf und antwortete.




Schulweg

Früher hatten viele Kinder wesentlich längere Schulwege als heute, oft mehr als eine Stunde zu Fuß hin und zurück. Manche Kinder gingen sogar barfuß zur Schule, da Schuhe nicht selbstverständlich waren. Schulbusse oder Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto abholten, gab es damals nicht. MeinVater hatte noch einen Fußweg von 1:15 Stunde pro Strecke zu bewältigen. Im Winter konnte dies sehr beschwerlich werden.


Der Unterricht begann normalerweise um 8 Uhr und dauerte 60 Minuten pro Stunde. Auf dem Land endete die Schule oft um 11 Uhr, damit die Kinder bei der Ernte helfen konnten. Im Winter konnte der Unterricht jedoch bis 13 oder 14 Uhr dauern. Früher wurde auch am Samstag unterrichtet, da dieser ein regulärer Arbeitstag war. Dieses System wurde als Werktagsschule bezeichnet.


Aus der TV-Serie "Michel von Lönneberga – Als Michel in die Schule kam"


Am Sonntag besuchten die Kinder oft den Gottesdienst und in einigen Orten gab es danach noch eine Sonntagsschule, in der sie mehr über Heilige, Bibelgeschichten und Gebete lernten. Gebete und Lieder wurden auswendig gelernt.





Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page