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Menhire in alpinen Regionen und der Hochwechsel


Im alpinen und voralpinen Raum Mitteleuropas befindet sich eine große Ansammlung von megalithischen Steinmonumenten und unterirdischen Anlagen, von denen einige aus Trockenmauerwerk gebaut wurden. Im Gegensatz zu den west- und nordeuropäischen prähistorischen Steindenkmälern sind sie kaum wissenschaftlich aufgearbeitet worden.


Diverse Menhire mit und ohne Perforierung im Joglland: Die meisten Menhire stehen frei in der Landschaft oder umgrenzen Höfe bzw. ein Stein steht bei einem Hof wie ein Wächter.Viele dieser Steine sind perforiert, aber nicht alle.




Sehr oft stehen die Lochsteine neben einem Flurdenkmal oder bei einer Kirche. In Wenigzell ist ein Lochstein in die Kirchenmauer und einer in die äußere Kirchenwand integriert, was meiner Meinung nach auch auf eine Begrenzungsfunktion im Sinner einer geistigen Grenze spricht. Auch in Birkfeld findet sich ein Stein im engsten Kirchenbezirk.




Megalithische Monumente - perforierte Steine und Menhire

In den letzten 20 Jahren hat sich das Wissen über prähistorische Steinsetzungen in Europa vervielfacht. Allein in Österreich gibt es weit über 1.000 Menhire und Lochsteine in den Bundesländern Kärnten, Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Burgenland und Steiermark. Es ist interessant, dass sich sehr viele in höheren Lagen im alpinen Bereich befinden. Mehr als 40 Steinsetzungen aus der Koralpe und Gleinalpe wurden bereits aus der Weststeiermark nachgewiesen. Nach aktuellem Forschungsstand (2023) wurden in der Nordoststeiermark im Joglland 570 solcher Steinsetzungen dokumentiert und kartiert.


Das Freilichtmuseum Vorau: Hier wird gezeigt, wie die Steine oft praktisch verwendet und in Zauntore eingearbeitet werden oder als Türschwelle für alte Gebäude, etwa Ställe, dienen. Im Joglland werden diese Steine gern "Torsteine" genannt.



Megalithische Monumente - unterirdische Systeme

Vor allem in der Gegend um Vorau, wo bis heute weit über 1.000 archäologische ober- und unterirdische Fundstellen entdeckt werden konnten, gelang es hunderte offene unterirdische Anlagen zu untersuchen und teilweise wissenschaftlich zu bearbeiten. Ein besonders markantes Merkmal der bei und um Vorau existierenden über 50 Trockenmauergänge ist die Kraggewölbebauweise der Deckenteile, die mit zubereiteten schweren Steinplatten abgedeckt worden sind. Eine solche Architektur weist weder auf das Mittelalter oder die Neuzeit hin, denn da wurden meist halbrunde Gewölbebögen errichtet. Diese Bauweise ist in der Steiermark sowohl in den sogenannten „Schutzräumen“ der vermuteten prähistorischen Gebirgssiedlungen als auch bei den verfallenen und wieder hergestellten Zugangsbereichen von Erdstallanlagen sowie bei unterirdischen Felsgängen vorzufinden. Die Deckplatten der unterirdischen Anlagen im Raum um Vorau haben ein vorläufiges Mindestalter zwischen 10.000 und 12.000 Jahre vor heute (TCN-Datierung). Dieses Alter korrespondiert international mit jenen megalithischen Kulturresten von „Göbekli Tepe“ aus Ostanatolien (Türkei).



Erdställe in der Vorauer Gegend in unterschiedlichen Bauformen. Teilweise wurden die Kammern und Gänge aus Trockenmauern errichtet und mit schweren Deckplatten bedacht, zum Teil bestehen Kraggewölbe. Manche Gänge enden blind, zum Teil finden sich Verbindungsgänge mit anderen Gangsystemen. Der Rundgang (letztes Bild) in Puchegg wurde 3D-rekonstruiert.



An dieser Stelle muss großer Dank an Herrn Dr. H. Kusch und seine Frau ausgesprochen werden, die in den letzten Jahrzehnten die Forschung auf diesem Gebiet initiiert und vorangetrieben haben.



V.l.n.r.: links: Lochstein- und Menhirvorkommen nördlich von Hartberg (Grafik Peter Holl und Heinrich Kusch); Mitte: Verbreitung unterirdischer Anlagen im Joglland (Quelle: Heinrich Kusch); rechts: Dazu im Vergleich: Verbreitungskarte der Erdställe in Bayern (Quelle: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege)




Die in den letzten Jahren rund 790 Felspassagen, Erdställe und unterirdische Steinstrukturen sind der lokale Bevölkerung des Jogllands seit Jahrhunderten bekannt. In Kriegszeiten dienten sie als Versteck, sowohl für Menschen, Kleinvieh, Lebensmittel als auch für Wertsachen.


Auch in der Südsteiermark sollen unterirdische Tunnel existieren, die der von der Riegersburg weg zu umliegenden Gehöften führen sollen.


Alten Erzählungen nach sollen von der Riegersburg mehrere Gänge zu umliegenden Gehöften führen. Stolz und mächtig thront die Riegersburg auf dem 482 Meter hohen Vulkanfelsen. Die Riegersburg scheint urkundlich erstmals 1138 als „Ruotkerspurch“ auf, also als Burg eines Rüdiger, doch war der über 100 m emporragende Basaltkegel schon vor rund 6.000 Jahren besiedelt. Auch in karantanischer Zeit (ab dem 7. Jahrhundert) war auf dem dreiseitig durch steilste Felswände geschützten Burgberg eine Fluchtburg vorhanden, wie aus dem Namen des Tals westlich der Burg und des darin fließenden Baches hervorgeht. Sie war seit jeher ein Bollwerk gegen Feindeseinfälle im Osten, konnte aber in all den Jahrhunderten ihres Bestehens nie erobert werden.(1. Bild: FB dieriegersburg; 2. Bild Riegersburg vom Schöckl aus gesehen, Foto: FB Schöckl).



Lage der Steinsetzungen und Ganganlagen

Die erhöhte Lage der Erdställe und Steinsetzungen hängt primär mit der Topografie des Vorauer Beckens zusammen, in dem die Fluren von vornherein schon zwischen 600 und 800 Meter Höhe über dem Meeresspiegel liegen, was auch den Höhenlagen der Ortschaften in diesem Gebiet entspricht. Aus alten Karten lässt sich beispielsweise herauslesen, dass zur Zeit der Josephinischen Landesaufnahme – Innerösterreich (1784–1785) – das erweiterte Siedlungsgebiet weit höher lag als heute: Einzelhöfe und Keuschlergebäude sind in Höhen bis zu 1.200 Meter Seehöhe anzutreffen, also in etwas geringerer Seehöhe als jener, in der dann bereits kleine Schwaigen und Almen zur Sommerweide betrieben wurden. Die kleine Alm meiner Familie, auf die alljährlich die Kalbinnen aufgetrieben wurden, liegt auf rund 1.200 m, die Vorauer Schwaig etwa liegt auf 1.511 Meter über dem Meeresspiegel. Auf derselben Seehöhe auf dem Wechsel finden sich auch alte Trockenmauern und deren Reste.


Kartenausschnitt aus Josephinische Landesaufnahme - Innerösterreich (1784–1785) - Wechselgebiet



Bayern und Mitteleuropa

Aber nicht nur in Österreich, auch in Bayern existieren viele Erdställe. Dort werden sie auch Schratzllöcher (Schratzl= Zwerg) genannt. Das Hauptverbreitungsgebiet reicht vom Bayerischen Wald bis in die Slowakei. Mit bergmännischen Methoden angelegt, treten die Anlagen meist unter alten Bauernhöfen auf, manchmal auch unter Kirchen und Friedhöfen und weisen somit eine große Gemeinsamkeit mit jenen im Joglland auf. Das regional unterschiedliche Nutzungsende im 14./15. Jahrhundert ist nicht abschließend geklärt, könnte aber u.a. mit den Landfriedensbemühungen und damit verbunden dem Rückgang des Fehdewesen im Spätmittelalter einhergehen.


Auch in Österreich kam es mit dem Ende des Mittelalters zu einer weitgehenden Stilllegung der Erdställe, die mitunter mit Verschüttungen undSandeinspülungen einherging. In der Konstruktion und im Aufbau ähneln die Erdställe in Bayern und im Joglland einander stark. Als gemeinsame Merkmale können Horizontal- und Vertikalschlupfe, Abmauerungen, (Sitz-)nischen sowie Lichtnischen und Lüftungsschächte angeführt werden.


Plan und Schnitte des Erdstalls im Petersberg in Kissing. Abb. aus: Illing, Johann: Beschreibung und Aufnahme der unterirdischen Gänge in Kissing, Königlichen Landgerichts Friedberg, Mit 1 lithogr. Taf., München 1854, 13. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 4085,43) (Quelle: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Erdstall)



In Bayern sind die meisten Erdställe im Bayerischen Wald entdeckt worden, insbesondere im Landkreis Cham. Zahlreiche Anlagen sind auch im südlichen Oberpfälzer Wald bekannt, wobei die Verbreitung in der Oberpfalz kaum westlich über die Naab hinausreicht. Weiter im Westen bildet der Fränkische Jura mit natürlichen Höhlen eine Grenze. Vereinzelte Beispiele sind in Mainfranken und Oberfranken dokumentiert worden. In Schwaben sind westlich des Lechs bisher kaum Beispiele bekannt. Vermehrte Entdeckungen sind in den letzten Jahren im oberbayerischen Raum zu verzeichnen.


Außerhalb Bayerns gibt es Erdställe in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Sachsen vor. Ähnliche Anlagen sind in Mitteleuropa auch in Polen, Tschechien (Südmähren), der Slowakei, Ungarn und Frankreich bekannt.



Torsteine am eigenen Hof

Da das Joglland meine Heimat ist, kann ich berichten, dass es auf dem Bauernhof meiner Eltern auch einen geheimnisvollen Gang vom uralten Steinkeller gab, der vom Hof wegführte. Leider ist er begraben. Ich möchte noch hinzufügen, dass es in vielen alten Bauernhöfen in der Stube unter dem großen Tisch (dem sogenannten Jogltisch) einen Ausgang in die Gänge gab und teilweise immer noch gibt, die die untereinander verbanden.


Links und Mitte: Jogltische im Freilichtmuseum Vorau; rechts: altes Expemplar.



Darüber hinaus gibt es zwei Menhire, die den Vierkanthof meiner Eltern begrenzen, einer genau im Norden und einer genau im Osten positioniert. Die Ecken des Hofes sind nach Norden, Süden, Osten und Westen ausgerichtet. Als wir Kinder waren, spielten wir, dass diese Steine unsere Wächter wären.


Einer davon ist genau neben der uralten und riesigen Hoflinde positioniert, deren Baumkronendurchmesser belaubt im Sommer über 40 Meter beträgt und von der unsere Großmutter erzählte, dass sie schon Karl den Großen und die Türken gesehen habe. Ihre riesigen, oberirdischen Wurzeln und ihre Äste, die als Schaukeln dienten, waren unser und auch schon der Lieblingsspielplatz meiner Mutter und meines Großvaters. Viele alte Hofstätten im Joglland haben noch sehr alte Linde am Hof stehen, deren Entfernung zum Wohngebäude meist nicht mehr als 15 Meter beträgt.




Alte Hohlwege, Trockenmauer in Höhenlagen und sonderbare Gesteinsformationen am Hochwechsel

Ein Tunnelsystem in diesem Gebiet (Joglland) soll vom Masenberg bis zum Hochwechsel verlaufen (Entfernung ca. 40 km Luftlinie).


Das Wechselmassiv mit Hoch- und Niederwechsel vom Masenberg aus gesehen.



Es bestehen alte Erzählungen von diesen Gängen, die vom Masenberg, der innen hohl sein soll und in dem sich ein See befinden soll, hinauf bis zum Wechsel bestehen sollen. Die Gänge sollen ganz hell erleuchtet von den Schätzen in ihrem Inneren sein. So bekam ich es als Kind von meinem Onkel erzählt. Einen Beleg dafür gibt es aber nicht.


Hohlwege



In den Ortschaften am und um den Wechsel gibt es unzählige Hohlwege, die die Landschaft durchfurchen. Viele dieser alte Hohlwege führen auf den Wechsel. Durch deren lange Nutzungsdauer graben sie sich teilweise tief ins Gelände. Die Bilder 4 und 5 zeigen den Aufstieg auf den Wechsel über die "Steinerne Stiege". Dieser Weg scheint sehr alt zu sein. Auf Bild 6 ist der sog. "Römerweg" zu sehen, in den Fels geschliffene Fahrzeugspuren von etwa ein Meter Spurbreite. Früher wurden sie vor allem im Winter zum Holzabtransport aus den höher gelegenen Wäldern benützt. Die gefährliche Fracht wurde mit Schlitten ins Tal gebracht und dann über Flüsse weitertransportiert. Diese alten Wege wurden auch genutzt, um das Vieh von den Almen zu treiben. Am Wechsel gibt es noch eine rege Almwirtschaft mit vielen schönen Schwaigen. Als Kind war ich jeden Herbst beim Viehabtrieb dabei.


Trockenmauern

Alte Trockenmauerreste unbekannten Alters sind ab etwa 700 Meter bis auf etwa 1.400 Meter Seehöhe anzutreffen, hier auf Bild 1 in der Nähe des Hilmtors, Bild 2 südlich des Niederwechsels (beides im Frühjahr). Bild 3 wurde in der Nähe der Kring in Vorau aufgenommen.



Gesteinsformationen am Niederwechsel und der Hochwechsel

Auf dem 1669 Meter hohen Niederwechsel gibt es interessante Fels- und Gesteinsformationen, über deren ältere Verwendung oder Herkunft nichts bekannt ist.


Felsen und Steine am Niederwechsel; Blick vom Nieder- auf den Hochwechsel; Luftbild vom Wechselplateau; Sonnenuntergang.










Quellen:

https://austria-forum.org/.../Megalithische_Monumente_und...

https://www.subterravorau.at/

https://www.vorau.at/tourismus-freizeit/kultur/subterra

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Erdstall

https://www.bergfex.at/.../vorau/highlights/19581-sub-terra/

https://maps.arcanum.com/.../firstsurvey-inner-austria/...

W. Brandi (1933): Zur Geomorphologie des Masenbergstockes am Nordostsporn der Alpen. Mit einer Kartenskizze (Beilage I). In: Zeitschrift/Journal: Mitteilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark.

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Erdstall

https://maps.arcanum.com/de/map/firstsurvey-inner-austria/?layers=138&bbox=1709518.914912263%2C5950510.52657325%2C1727701.3730155993%2C5957227.43043381

https://www.unterwelt-kusch.com/



Weiterführende Literatur:

Heinrich & Ingrid Kusch (2009): Tore zur Unterwelt, 4. Aufl., Graz.

Heinrich & Ingrid Kusch (2014): Versiegelte Unterwelt, 1. Aufl., Graz.

Zur archäologischen Untersuchung des Kandelhofer-/Kandlhofer- Erdstalles bei Puchegg, Steiermark, Österreich

Vorläufige archäologische und historische Verifizierung der megalithischen Steinsetzungen und unterirdischen Trockenmauer- Anlagen in der Nordoststeiermark, Österreich

https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Erdstall





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