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Land der Almen X


Nachdem spätestens Mitte Oktober die letzten Menschen mit ihrem Vieh die Almen verlassen haben und graue Nebel und der erste Raureif sich über die Almmatten legen, ziehen düstere Gestalten in die verlassenen Almhütten ein: In den dunklen und kalten Herbst- und Winternächten treiben Almgeister wie Kobolde die Verrichtungen der Sennen, man hört sie die Kühe melken, Butter und Käse herstellen und in den Hütten mit dem Milchgeschirr klappern. Ihr gespenstisches Vieh treiben sie aus, und das Alpgeschrei, ein klagendes Geschrei unbekannter Herkunft, verheißt mehr als nur schlechtes Wetter...





Bräuche, Aberglauben und Sagengestalten auf den österreichischen Almen

Auf den österreichischen Almen gibt es eine Fülle von Bräuchen, Aberglauben und Sagengestalten. Diese traditionellen Elemente des kulturellen Erbe der Alpenregionen spiegeln vielfach den engen Bezug der Menschen zur Natur und zur ländlichen Lebensweise wider. Alm- und Alpgeister, wie die Kasermandln, die Sennentuntschi, das Nachtvolk, auch bekannt als die Wilde Jagd oder das Wilde Gload, treiben auf den Almen (und nicht nur dort) ihr Unwesen, gleich wie die "Alten" und der Almranzel – der sagenhafte Wintersenn – und viele mehr!



Alm- und Alpgeister

Von Alpengeistern, die im Herbst die Almhütten nach Abzug der Sennen bezogen und bis zu deren Rückkehr im Frühjahr bewohnten, im Sommer in Wäldern und Tobeln (enge Schlucht, besonders im Wald) hausten, gelegentlich aber auch die Hütten heimsuchten, wusste der Volksglaube im ganzen Alpengebiet. Sie hießen auch Alm-, Alpenbütze (und wurden dann gern nach der Alpe benannt, auf der sie hausten: Hüttlabutz, Novabutz usw., Alperer, Käsmandeln, Kasermandln (Tirol). In den Alpengeistern verkörperte sich das Grauen vor den in der Bergeinsamkeit leerstehenden menschlichen Behausungen. Sie erschienen, einzeln oder in Scharen, seltener in tierischer (als Katze, Ross oder Stier mit feurigen Augen), als "Almtier", "in Geißen verwandelt") als in menschlicher Gestalt, nur selten zwerghaft, meist von etwa menschlichem, manchmal auch von riesigem Maß. Das Kasermandl hatte gelegentlich nur ein Auge mitten auf der Stirn.


Die Almgeister trieben wie Kobolde die Verrichtungen der Sennen, man hörte sie in den Hütten die Kühe melken, buttern, käsen, mit dem Milchgeschirr klappern, ihr gespenstisches Vieh austreiben, draußen die Schweine locken und wie Naturdämonen pfeifen, johlen und lärmen. Gegenüber den Menschen waren die Almgeister, solange man sie nicht reizte, im Allgemeinen freundlich, konnten aber auch aufhocken, verblenden, Kinder auswechseln und Neckerei, Unfug oder Bosheit grausam bestrafen. Sie scheuten Stahl und Stein, Hund und Geiß. Beziehungen der Almgeister zum Nachtvolk und Totenzug ergaben sich z. B., wenn die abziehenden Kasermandeln dem Begegnenden das Beil in den Rücken schlugen oder ein Auge "zustreichen" (erblinden lassen?) , oder wenn die von den Almgeister nachts verspeiste Kuh am anderen Morgen unversehrt erschien.


Das Nachtvolk treibt vor allem in Vorarlberg sein Unwesen, eine Variante der "Wilden Jagd"


Wenn der Sturm durch die Wipfel der Bäume brauste, zog das Nachtvolk aus seinen Behausungen, die auf Alpenhöhen und Bergkämmen lagen, oft unter Tosen und Heulen, oft aber auch unter dem Klang lieblicher Musik, durch Schluchten und Klüfte in die Täler und Niederungen herab und scheute sich auch nicht, die Wohnstätten der Talbewohner zu betreten. Die Menschen sollten im Freien dem Zug der meist unsichtbaren Gestalten ausweichen, daheim aber Türen und Fenster verschlossen, wenn der nächtliche Spuk vorübersauste; denn wohin das Nachtvolk kam, brachte es Übel und Krankheiten mit. Oft waren es scheußliche, abschreckende Gestalten, die der eine oder andere im Zug dieses Volkes sah. Das wilde Treiben des Nachtvolks tobte führerlos durch die Täler, vergleichbar mit einem dahinjagenden Totenheer, obwohl in den Sagen nie ausdrücklich von Toten die Rede war. Einige Berichte legen nahe, dass es sich um "verwünschte Leute" handelte. Die bevorzugten Nächte des Nachtvolks waren die Rauhnächte zwischen Weihnachten und Dreikönig, in denen es mit Saitenklang, Flötenspiel, Trommeln und Paukenschlag bestimmte Wege unsicher machte. Die Musik, die dabei ertönte, sollte zumindest teilweise von überirdischer Schönheit sein. Einige Menschen waren fasziniert von diesem unheimlichen Treiben des Nachtvolks und suchten es auf, doch dies war mit Gefahren verbunden. Der Volksmund erzählt von schmerzhaften Erfahrungen, die diesen Menschen widerfahren sind. Die vom Nachtvolk zugefügten Schmerzen verschwanden angeblich erst, wenn man sich ein oder mehrere Jahre später zur gleichen Zeit am gleichen Ort einfand, sofern man den Mut dazu aufbrachte. Das Verhalten des Nachtvolks konnte freundlich sein und unter Umständen das Musizieren lehren. Doch wer dem Nachtvolk nicht aus dem Weg ging, neugierig oder spöttisch war, wurde mit Entrückung, Blendung, Krankheit oder einem Hieb mit dem Beil bestraft. Es sei denn, man hatte vorher Weihwasser genommen, denn dann konnte das Nachtvolk einem nichts anhaben.


Die Almgeister galten gelegentlich als Seelen gottloser Hirten oder Sennen und konnten dann erlöst werden; meist erschienen sie jedoch als selbständige Gespenster. Im Walsertal hielt man sie für gefallene Engel, die beim Höllensturz an den Bergschroffen hängen geblieben waren.

Alpgeschrei, Klagendes Geschrei unbekannter Herkunft ("wehliches Kindergeschrei") wurde in einigen Bergen der Schweiz als Vorzeichen von schlechtem Wetter oder Unglück gedeutet!

Dämonische Gestalten von nur lokaler Bedeutung waren die "Alten", die auf der Löffelspitz und dem Greiner (Tirol) hausten: uralte Männer riesigen Charakters, mit weißen Haaren und Bärten, zur Bauerntracht Wetterhut und grüne Strümpfe tragend, die Wetter machten und sich beliebig verwandeln konnten. Mit Vorliebe rauchten sie stinkigen Bauerntabak, und ihre Fresslust war bekannt; so ließ man ihnen beim Herbstabzug von der Alm Butter, Käse und Brot zurück.


Nach alter, frommer Sitte machte man im Zillertal am Vorabend hoher Festtage schon zu Mittag Feierabend. Ein Bauer, der dieses Gebot verletzte, wurde mit seinem Knecht und seiner Alm plötzlich vereist.

Dämonenvertreibender Wortzauber lag in dem beim Austrieb des Viehs geübten Ruf, Sang und Spruch. Man führte das Vieh an den Brunnen und schrie ihm ins Ohr:

"Komm wieder nach Haus!"

Um das Unheil von der Weide zu bannen, sprach man beim Austrieb magische Formeln, das Vieh wurde von Zauberern "versegnet". Im Alpsegen wurde Vieh, Alm und Sennhütte vom Geistlichen gesegnet und mit Weihwasser besprengt.


Als Opfer und zur Speisung der Alpendämonen ließ man bei der Abfahrt von der Alm neben Brot und Käse auch Butter und Branntwein zurück. im Herbst in den Hütten gelassen: In Tirol feierten die Sennen die letzten acht Tage auf der Alm bei Melkermus und Schnaps. Als Abschluss der Almtätigkeit feierten die Sennen im Unterinntal die Schoppwoche, wobei es Braten, Melkermus und Schnaps gab.



Das Melkermus ist eine traditionelle Tiroler Spezialität, die ihren Ursprung in der bäuerlichen Küche hat. Der Name leitet sich von den Melkern ab, also jenen, die auf den Almen die Kühe melken und harte körperliche Arbeit leisten. Das Gericht besteht aus wenigen Zutaten, die für die bäuerliche Küche typisch waren und leicht verfügbar sind. Die Hauptbestandteile sind Mehl, Milch, Eier und Salz. Manchmal wird auch etwas Butter oder Schmalz hinzugefügt, um das Gericht noch saftiger zu machen. Die Zubereitung erfolgt traditionell in einer gusseisernen Pfanne über offenem Feuer. Das Mehl wird mit Milch und Eiern zu einem Teig verrührt und mit einer Prise Salz gewürzt. Der Teig wird dann in die heiße Pfanne gegeben und bei niedriger bis mittlerer Hitze langsam gebacken. Dabei entsteht eine goldbraune Kruste auf der Unterseite des Melchermuas, während die Oberseite fluffig und weich bleibt.

Das Gericht wird direkt aus der Pfanne gegessen und oft mit einem Stück Butter, Preiselbeeren oder Apfelmus bzw. mit Zimt und Zucker bestreut serviert. Es ist ein herzhaftes und sättigendes Gericht, das Energie liefert und sich besonders gut für die Stärkung nach harter körperlicher Arbeit eignet. (Bild: Gusto.at)



Vor dem Almabtrieb legten die Almleute gerne im Herd zwei Holzscheite übers Kreuz. Auf dem Tisch wurde je ein Stück Käse, Butter und Brot für den „Almranzel", den sagenhaften Wintersenn, zurückgelassen, der nun auf den einsamen Almen in die Hütten einzog. Sein Vieh blieb meist unsichtbar, seine Anwesenheit tat er aber durch Brüllen und Glockengeläute kund. Als „Kasamandl" begegnete er dem Gämsenjäger, und auch des Wilderers Nachtruhe konnte er stören.


Bei der Schladminger Bergweihnacht ziehen die Kasamandln, dargestellt von einer Spielgruppe der NMS Erzherzog-Johann Schladming, auf dem Weihnachtsmarkt am Hauptplatz ein. Felsbrocken verwandelten sich auf frühwinterlichen Almgebieten in bärtige, von Sturm und Unwettern gezeichnete Berggeister. Die Zeit der Kasamandln war angebrochen. Erzürnt warnten sie uns kleine Menschlein vor den Folgen weiterer Freveltaten, vor Übermut, Achtlosigkeit und Habgier. (Bild: Schladminger Bergweihnacht)

„ … ansunst mochts an Fluscha, und des Wunda des Lebens is fia oiwei verspielt … „

Dem zugrunde liegt folgende Sage "Das Kasamandl und der Jäger" aus dem Ennstal:

Ein Schladminger Jäger hatte einst tief drinnen im Gebirge eine stattliche Gämse erlegt. Es war Winter, der Weg ins Tal weit, daher beschloss er, in der nächsten Almhütte zu übernachten. Weil er von der beschwerlichen Pirsch müde und hungrig geworden war, machte er auf dem offenen Herd ein tüchtiges Feuer, steckte die Gamsleber auf einen Bratspieß und drehte diesen langsam. Plötzlich trat ein winziges Männlein aus der neben liegenden Milchkammer, zog eine Kröte aus der Tasche und legte sie zum Feuer. Verlangend betrachtete, beschnupperte und betastete es hernach die duftig prutzelnde Gamsleber, sodass es dem Jäger schließlich zu dumm wurde und er dem Männlein tüchtig auf die Finger klopfte. Vor Schmerz schrie der Zwerg laut auf, sprang aus der Hütte und rief: "Da Jaga hot mi gschlog’n! Da Jaga hot mi gschlog’n!" gleich darauf antwortete eine gellende Stimme "Bist selba schuld! Hilf dir selbst!" Darauf kehrte das Männlein wütend in die Stube zurück und schrie den Jäger an: "Wenn du deinen vieräugigen Beißer, den grauslichen Hund, nicht bei dir hättest, so hätte ich dich schon längst zerrissen!" Da knurrte der Hund des Jägers verdächtig, das Männlein sprang schnell aus der Stube und kam nicht mehr wieder. Aber auch dem Jäger wurde es unheimlich in der Hütte. Rasch verzehrte er die fertige Gamsleber, gab auch seinem Hund davon, löschte das Feuer aus und stieg noch in der Nacht mit der erlegten Gämse ins Tal hinab.

Die einsamen Besucher der verlassenen Almhütten wurden vor dem Kasermandl oft durch ein Amulett geschützt, das als "Gstrapalier" oder "Skapulier" bezeichnet wurde. In den Regionen Tirol und im Salzburgischen gab es zudem freundliche Kasermandln. Diese Wesen waren Experten in der Herstellung von Käse und gaben den Sennen wertvolle Unterrichtsstunden in dieser bedeutsamen Kunst.


Das Skapulier, ein Amulett gegen böse Geister, wurde als Schutzmittel angesehen. In einem Volkslied über das Kaserweibl auf der Höttinger Alm wurde bereits besungen, dass man das "Skapulierl" unter der Kleidung tragen sollte, um sich vor dem bösen Weibl und seinem Hexenschuss zu schützen. Diese geweihten Stoffstücke, wenn über Brust und Rücken getragen, wurden für vielfältigen Schutz angesehen, einschließlich Unfällen und Krankheiten sowie der Rettung vor den Qualen der Hölle. Besonders bekannt sind die braunen Skapuliere des Karmelordens, auf die diese schützenden Amulette zurückgehen. Simon Stock, ein Karmelit aus dem 13. Jahrhundert, erhielt eine Marienerscheinung, bei der ihm ein Skapulier überreicht wurde, mit der Verheißung, dass niemand, der beim Sterben ein Skapulier trug, die Qualen der Hölle erleiden müsste. (Bild: Rablhaus glaubeaberglaube)


Auch die Alpmutter – das Alpmueterli gehörte zu ihnen: Sie suchte Almhütten und Bauernhöfe heim und wirkte als Wetterwarnende und -weisende. Ihr Erscheinen deutete auf schlechtes Wetter hin. Sie wurde auch als Winterschwoagerin bezeichnet, in Erscheinung eines alten, buckligen Weibes, umgeben von dienenden Kobolden in Tiergestalt, deren einer auf ihren Befehl Schmalz ausspeiht. Sie ist ein Geist, der allerhand Streiche spielte und die mit dem Gespenst einer verfluchten Jungfrau, wegen Tierquälerei verdammt, in Verbindung gebracht wurde.


Alpmutter: Wo sie wandelt, fällt Schnee. In einiger Beziehung ähnelt sie einer Caillech. Auch eine Cailleach ist oft als eine alte Frau oder Göttin des Winters und der Berge dargestellt. Sie wird mit dem Winter in Verbindung gebracht und gilt als Verursacherin von Kälte, Stürmen und Schnee. In einigen Legenden wird sie wie die Alpmutter als Wetterhexe oder Wintergöttin angesehen, die das Wetter beeinflusst.


«Das Alpmueterli sei präzis dort herum gegangen, soweit's dann heruntergeschneit habe, heillos geschwind über die Zäune hinaus zum Tannenboden.»

Weit verbreitet war die Erzählung von der von Sennen geschnitzten und getauften Holzpuppe, die zum Almgeist wurde und die gottlosen Spötter bestrafte. Das Sennentuntschi, auch bekannt als Hausäli oder Sennpoppa (Sennenpuppe), ist ein weit verbreitetes Sagenmotiv im gesamten deutschsprachigen Alpenraum, insbesondere der Schweiz und Westösterreichs. Eine der Gebirgsregionen, in denen das Sennentuntschi erschienen sein soll, ist der Wissenboden. Die Sage wird jedoch auch im Urserental und anderen Gegenden der Alpen erzählt. Ihre Verbreitung reicht von den Berner Alpen über Uri, Graubünden und das St. Galler Oberland bis nach Liechtenstein, Vorarlberg, Tirol und Kärnten. Varianten dieser Sage sind auch im Oberwallis, der Steiermark und in Oberbayern bekannt. Tuntschi oder Toggel sind weitere gebräuchlichen Namen für diese Sagengestalten in den Alpengebieten.


Sennentuntschi-Figuren (Bild: .schwermetall.ch)


Die verschiedenen Versionen dieser Sage haben meistens folgende zentrale Elemente gemeinsam: Die einsamen Sennen und Hirten auf den hochgelegenen Alpen basteln sich aus Langeweile – da auf den Alpen meist nur Männer arbeiteten, insbesondere in der Schweiz und Westösterreich – eine weibliche Puppe, zumeist aus Holz. Sie füttern sie aus Spaß, sprechen mit ihr und nehmen sie zu sich ins Bett. Kurz vor der Alpabfahrt wird die Puppe lebendig und beginnt zu sprechen. Sie rächt sich für die Übeltaten und die gottlose Tat, die die Sennen an ihr vollbracht haben. In der Sage zwingt sie einen der Sennen, bei ihr zu bleiben und zieht diesem die Haut vom Leib.



Quellen



HOFFMANN-KRAYER, E. & BÄCHTOLD-STÄUBLI, H. (1927): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Band 1 (10 Bände), in der Reihe Handwörterbücher zur deutschen Volkskunde, De Gruyter.

FRIEDL, K. (2013): „Die Höll ist nicht so heiß, als sie die Pfaffen heizen“. Nachrichten aus der Geschichte des Hochschwabs. In: Alpenvereinsjahrbuch Berg 2014, 138, S. 72–77.

VON DER SANN, Hans (1911): Sagen aus der grünen Mark, Graz.

VERNALEKEN, Theodor (1859): Mythen und Bräuche des Volkes in Österreich. Wien, S. 268 ff.


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