"Birn- und Äpfelklauben", das war unsere Aufgabe als Kinder an den Nachmittagen in den ersten Schulwochen. Unsere etwas 2.500 m2 große Streuobstwiese, Obstgartl genannt, liefterte genügend Äpfel und Birnen für einen Wintervorrat an Apfelsaft, Most und Schnaps. Die großen Obstbäume waren aber auch zum Spielen und Klettern da, und jeder Baum hatte seinen eigenen Charakter. Blütenmeere im Frühling, im Sommer mit der Leiter auf den Kirschbaum und im Herbst war die Zeit für den Süßmost da! Dann ging es mit vollen Säcken zur Presse...
Abgeerntete Streuobstwiese im Herbst (Bild: Gernot Waiss)
Die Geschichte der Streuobstwiese
Folgender Abschnitt lehnt sich an die Diplomarbeit mit dem Titel "Streuobstwiese – eine pädagogisch wertvolle Kulturlandschaft Österreichs" (2018) von D. Falkenburger an der Universität Graz und den Bericht "Oststeirischer Apfel" des Bundesministerium fürs Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Tourismus in leicht abgeänderter Form angelehnt:
Frühzeitliche Entwicklung des Obstbaus in Mitteleuropa
Die Existenz von Wildobstbäumen nach der letzten Eiszeit zwischen 6.000 und 5.500 v. Chr. ist als wahrscheinlich anzunehmen. Zwar gibt es keine direkten Pollennachweise, die das bestätigen, allerdings kann durch die Analyse der Pollen aus postglazialen Bodenschichten das Vorhandensein bestimmter Strauch- und Baumarten nachgewiesen werden, die häufig als Obstbaumbegleitflora auftreten. Daraus kann gefolgert werden, dass die klimatischen Bedingungen in Österreich so günstig waren, dass Wildobstbäume und -sträucher, wie Holzäpfel (Malus sylvestris) und Holzbirnen (Pyrus pyraster), gedeihen konnten.
Der Holzapfel (Malus sylvestris) ist eine Baumart, die zur Gattung der Äpfel (Malus) in der Familie der Rosengewächse (Rosaceae) gehört. Er wird auch als Europäischer Wildapfel oder Krabapfel bezeichnet. Der natürliche Lebensraum des Holzapfels erstreckt sich wahrscheinlich von Europa bis Vorderasien, wobei die genaue Süd- und Ostgrenze seines Verbreitungsgebiets nicht sicher festgelegt ist. Die Hauptverbreitungsgebiete sind die Tieflandregionen Mitteleuropas, und in den Alpen kann er bis zu einer Höhe von 1100 Metern über dem Meeresspiegel vorkommen.
Der Holzapfel bevorzugt sonnige und offene Bodenflächen und ist licht- und wärmeliebend. Sein Wachstum wurde durch die Beweidung von Wäldern seit der Jungsteinzeit begünstigt. Dies führte dazu, dass der Holzapfel in Mitteleuropa häufiger vorkam, da die Landschaft damals oft einem Hutewald ähnelte.
Ein Hutewald ("Hütewald"), auch als Hudewald oder Hutung bezeichnet, ist ein Wald, der früher oder ausschließlich zur Weide für Vieh genutzt wurde. Das Vieh spielte auch eine Rolle bei der Verbreitung der Holzapfel-Samen. Die Tiere fraßen die Äpfel und verteilten die Samen durch ihren Kot. Darüber hinaus fördert die Passage durch den Verdauungstrakt die Keimfähigkeit der Holzapfelkerne. Die Samen, die von den Tieren verbreitet wurden, profitieren von einer Ruheperiode im verrottenden Dung, der ein geeignetes Keimbett bietet und für eine gewisse Zeit vor Beweidung geschützt ist. Dies trug zur Verbreitung des Holzapfels in der Landschaft bei. Die Praxis, Rindern und Pferden die Waldpflege zu überlassen, wie es vor Hunderten von Jahren üblich war, kann tatsächlich die Artenvielfalt in bestimmten Lebensräumen erhöhen. (Bild: Hutewald Solling im Weserbergland)
Wie komplex sich die Entwicklung der Obstarten vollzogen hat, lässt sich am Beispiel des Europäischen Kulturapfels (Malus domestica) veranschaulichen. Noch gibt es verschiedene Meinungen darüber, welche Wildarten bei der Entstehung des Europäischen Kulturapfels beteiligt waren. Es wird aber angenommen, dass bei der Entwicklung von europäischen Kulturapfel-Sorten (Malus domestica) drei Malus-Arten ausschlaggebend waren: der Kaukasus-Apfel (Malus orientalis) und der Altai-Apfel (Malus sieversii) aus asiatischen Gebieten und der in Europa heimische Holzapfel (Malus sylvestris). Auch bei der europäischen Kulturbirne (Pyrus communis) wird von einer Wechselwirkung von europäischen und asiatischen Wildarten ausgegangen.
Altai-Apfel, Kaukasus-Apfel, Holzbirne
Es zeigt, dass aus dem Orient eingeführte Arten schon seit langer Zeit einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Obstbaus hatten. Ab 5.000 v. Chr. bewegten sich indogermanische Stämme in westliche Richtung, mit ihnen wahrscheinlich auch Früchte und Samen von östlichen Wildobstsorten. Durch Aufspaltung, Bastardierung und Rekombination des genetischen Materials, aber auch durch Selektion und Vermischung mit Obstgehölzen der durchwanderten Gebiete, unterlagen die Wildformen zahlreichen Veränderungen, deren Produkt neue Arten waren.
Die Nutzung von Steinobst sowie Äpfel und Birnen ist bis ins Neolithikum (4.000–1.800 v. Chr.) und in die Bronzezeit (1.800–800 v. Chr.) bewiesen, wenn auch diese wahrscheinlich in ihrer ursprünglichen, wilden Form verwendet worden sind. An 14 oberösterreichischen und nordschweizerischen Seen und im Bodenseeraum wurden in Pfahlbaustätten aus diesen Zeiten Samen von Vogelkirschen, Pflaumen und Birnen, aber auch dicke Schichten ausgepresster Apfelschalen und Kerngehäusen gefunden. Es lässt sich daraus schließen, dass bereits steinzeitliche Bewohner die Zubereitung von Most beherrschten.
Das Keltendorf am Kulm (Bild: Marktgemeinde Pischelsdorf)
Es wird vermutet, dass die Geschichte des Apfelanbaus in der Region bis weit vor die Kelten zurückgeht. Die Kelten versuchten vermutlich schon im 3. Jahrhundert vor Christus im Donauraum Obst anzubauen. In der Region rund um den Berg Kulm, Oststeiermark, siedelten sich die Kelten in der vorchristlichen Zeit an (dokumentiert im urgeschichtlichen Museum „Kulmkeltendorf“).
Puch bei Weiz und im Hintergrund der Kulm, der ein wichtiges Zentrum in der keltischen Gesellschaft darstellte. Etwa ist er auch als Kreidfeuerberg bekannt. (Bild: Tourismus Region Weiz).
Bei den Kelten galt der Apfel als Symbol für ewige Jugend und Schönheit. In den Sagen der Kelten gilt die bekannte Apfelinsel „Avalon“ (vergleiche Aval = Apfel) als mystischer und heiliger Ort. Weiters wird angenommen, dass bereits die Kelten einige hundert Jahre vor Christus in der Region des Kulms bei Weiz Apfelmost produziert und getrunken haben. Es kann ganz sicher angenommen werden, dass Obst, so auch Äpfel, in der Region in römischer Zeit angebaut wurde. Ein keltoromanischer Grabstein (2. Jahrhundert nach Christus), welcher sich noch heute am oberen Eingang der Pucher Kirchhofmauer findet, zeigt ein Epitaph mit einer Gestalt, die vermutlich einen Apfel umklammert in seiner Hand hält.
Römerstein in der Umwallung der St. Oswald Kirche, der eine Frau mit einem Apfel in der Hand zeigt. Leider ist das Gesicht der Frau nicht mehr gut zu erkennen.
Auch bei den Germanen galt der Apfel als Zeichen für Unsterblichkeit, ewige Jugend und Schönheit: Die Göttin Idun oder auch Iduna (altnordisch Iðunn „die Erneuernde, die Verjüngende“) ist die Hüterin der goldenen Äpfel, die den Göttern die ewige Jugend und damit auch die Unsterblichkeit verleihen. In einer Holzschatule bewahrt sie die wertvollen Äpfel auf, und jeder Gott, der das Alter spürt, nimmt einen Bissen davon und wird sogleich wieder jugendlich. Da Idun sehr vergesslich ist, verlegt sich manchmal die Schatule mit den Äpfeln, daher hat sie ein Mädchen bei sich, das für sie die Schatule trägt. Als Hüterin der goldenen Äpfel ist ihr Baum der Apfelbaum. Sie hütet in dem im Westen gelegenen Apfelland, in dem auch der Jungbrunnen (Brunnakr) liegt, die goldenen Äpfel, von denen die Asen auch deshalb regelmäßig essen müssen, um bis zu Ragnarök jung zu bleiben.
Idun und die Äpfel von J. Doyle Penrose (1890): In der nordischen Mythologie spielt sie die Rolle der Hüterin der göttlichen Obstgärten von Asgard. Dort wachsen magische Äpfel, die Idun erntet und in einer Kiste aus Esche, genannt eski, aufbewahrt.
Obst wurde damals schon an verschiedensten, weit entfernt liegenden Orten Europas verwendet. Die unterschiedliche Größe von Früchten aus dieser Zeit deutet möglicherweise auch auf eine einfache Form der Kultivierung hin. Auch im Obstbau zeigt sich der umfassende Einfluss der Römer auf unsere Kultur. Viele spezifische Bezeichnungen mit Bezug zum Obstbau und deren Produkte können hinsichtlich ihrer etymologischen Herkunft klar den Römern zugeordnet werden. Der Ausdruck Pfropfung stammt von der lateinischen Bezeichnung propagare (=fortpflanzen) genauso wie mustum, der lateinische Begriff für Most. Aber auch über die sprachliche Ebene hinaus war ihr Wirken für die Entwicklung der Obstkultur sehr wichtig. Veredelungstechniken wie die Pfropfung oder die Okulation, die für die Etablierung des Obstbaus unumgänglich waren, verteilten sich durch damalige Handelsbeziehungen im weitläufigen Römischen Reich.
Anhand archäologischer Funde von Samen und Fruchtsteinen mit verschiedenen Größen und Formen aus dem oberösterreichischen Linz kann belegt werden, dass es in Zeiten der römischen Besetzung (220 bis 420 n. Chr.) verschiedene Kulturformen von Äpfeln, Pfirsichen, Marillen, Weintrauben und Walnüsse bereits gab.
Der Untergang des Römischen Reiches und die damit einhergehenden Völkerwanderungen hatten keine positive Wirkung auf die Weiterentwicklung des Obstbaus. Trotzdem besaßen die Obstbäume zu dieser Zeit bereits eine zentrale Bedeutung für die Nahrungsmittelversorgung in Mitteleuropa, welche mit einigen Gesetzestexten von germanischen Stämmen bewiesen wurde. Obstdiebstähle oder Frevel an Obstbäumen mussten mit für damalige Verhältnisse großen, finanziellen Aufwendungen beglichen werden. In Griechenland ging man mit diesen Verbrechen sogar noch härter ins Gericht. Der Athener Drakon (620 v. Chr.), ein prägender Gesetzeschreiber seiner Zeit, bestrafte Mörder oder Tempelräuber gleich wie Obstdiebe, nämlich mit der Todesstrafe.
Obstbau im Mittelalter
Eine wichtige Funktion hatten die kirchlichen Einrichtungen hinsichtlich der Weiterentwicklung von Vermehrungs- und Veredelungstechniken und Kultivierung neuer Obstsorten inne. Nahezu jedes Kloster und jeder Orden besaß im Mittelalter eigene Gärten, in denen Obstund Ackerbau betrieben wurde. Das dadurch erarbeitete Wissen wurde beiläufig mit der Verbreitung des christlichen Glaubens großräumig weitergegeben, in Europa vor allem von Benediktiner- und Zisterziensermönchen. Aber auch politische Vertreter erkannten das Potential dieser Landwirtschaft und trugen zur Ausbreitung bei. Berühmtestes Beispiel ist in diesem Kontext Karl der Große (742–814 n. Chr.), der mit seiner Landgüterverordnung Capitulare de villis vel curtis imperii (812 n. Chr.) den Obstbau förderte. Er ordnete damit seinen kaiserlichen Ländereinen an, welche Obstbäume in den Gärten vorhanden sein mussten.
Die erste urkundliche Nachricht über den Obstbau in der Steiermark stammt aus dem Jahre 1074. Ein Dokument aus dem Benediktinerkloster Admont (Obersteiermark) belegt die Existenz eines großen Obstgartens in dessen Meierhof, so kann angenommen werden, dass Obstgärten auch in den übrigen steirischen Klöstern vorhanden waren.
Birnenernte 1571. Kolorierte Federzeichnung aus der 24-bändigen handschriftlichen Chronik des Chorherrn Johann Jakob Wick (Zentralbibliothek Zürich, Handschriftenabteilung, Wickiana, Ms. F 19, Fol. 295v).
Diese Verordnung enthielt bereits viele der heute uns bekannten westeuropäischen Obstbaumsorten. Zwischen den verschiedenen kirchlichen Einrichtungen fand ein reger Wissenstransfer statt, Techniken der Veredelung oder der Verarbeitung wurden weitergeben. Außerdem wurden erste Fachbücher zum Thema Obstbau verfasst, welche vor allem die Vielfalt dokumentieren sollten. Der dritte Band der Benediktiner Äbtissin von Bingen, der Heiligen Hildegard, aus dem Jahre 1160, enthielt eine Aufzeichnung sämtlicher Sorten und Arten 16 von Obstbäumen in Germanien. Darin inkludiert war ebenso eine Beschreibung hinsichtlich der kulinarischen und medizinischen Nutzung.
Aus der Zeit um das 14. Jahrhundert stammt sowohl der älteste Beleg einer Baumschule als auch die älteste namentlich bekannte Obstsorte in Österreich. Im Verzeichnis der Schaumburg von 1371 (Oberösterreich) wurden in der Baumschule „Pfeltzpewnt“ Bestände einer „Regelspuren“ vermerkt. In Aufzeichnungen in Ober- und Niederösterreich ist sie bis 1850 als „Regelsbirne“ weiter verzeichnet, dann verschwand sie (Schaumburger Urbar 1372).
Im Mittelalter befand sich der Obstbau zum Großteil unter der Obhut von Kirchen und Herrschern. Das geschah meist hinter geschlossenen Mauern und nur selten wurde er von Bürgern oder freien Bauern betrieben.
Einer Legende zufolge ließ sich die schwedische Bäckerfamilie Eitljörg Mitte des 15. Jahrhunderts in der Gemeinde Puch nieder. Kurz bevor sie ihre Zelte wieder abbrechen wollten, entdeckten sie, dass sich aus einem Apfel, der versehentlich fallen lassen worden war, ein Apfelbäumchen entwickelte. Sie erkannten die Fruchtbarkeit der Gegend und begannen Apfelbäume zu pflanzen.
Frühe Neuzeit
Die Organisation in den Obstgärten war mittlerweile schon wohldurchdacht. Die Reifezeitpunkte der Früchte unterschieden sich stark, um für einen möglichst langen Zeitraum frische Früchte zu ernten. Außerdem wurde Wert auf eine „bunte“ Sortenmischung gelegt, damit das Obst vielfältig verarbeitet werden konnte (z.B. Tafelobst, Most, Dörrobst). Belegt wird dies mit einem aus dem Jahr 1691 erhaltenen Stiftsbuch des Klosters Windhaag in Perg (Oberösterreich). Die Zusammensetzung des vorhandenen Klostergartens weist 26 Apfelsorten und 19 Birnensorten auf, von denen der Großteil eine oben beschriebene breite Verwendungsmöglichkeit besitzt und unterschiedliche Reifezeitpunkte aufweist. Dazu kommt, dass es in dieser Umgebung heute noch 10 Apfelsorten mit der gleichen Bezeichnung gibt. Es darf dabei nicht auf eine gesicherte genetische Verwandtschaft geschlossen werden, aber immerhin wird die lange Tradition der Obstkultur in dieser Gegend unterstrichen.
Auch in den folgenden Jahrhunderten erlebte der Obstbau nicht nur Fortschritte. Bei den zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen wurden die Obstbaumbestände oftmals vernichtet. Im Laufe des Dreißigjährigen Kriegs wurden alleine in der Umgebung vom Bodensee zigtausende Bäume von feindlichen Kompanien zerstört. Zu jener Zeit stellte 17 dies eine äußerst wirkungsvolle Schwächung der Kontrahenten dar, da dadurch die Nahrungsversorgung für Jahrzehnte beeinträchtigt wurde. Doch durch hoheitliche Unterstützungen und Verordnungen wurde die Neubepflanzung von Güterwegen und auch der freien Landschaft mit Obstbäumen vorangetrieben.
In vielen Teilen Deutschlands und Österreichs erlebte der Obstbau im 18. Jahrhundert einen erheblichen Aufschwung. Während im Mittelalter und anfänglicher Neuzeit der Obstbau meist in Gärten stattfand, entfaltete er sich nun immer weiter ins Freiland. Es entstanden Hochstammpflanzungen, die sich der heutigen Definition von Streuobstwiesen annäherten.
Die Ursache dieser Entwicklung war gewiss wirtschaftlichen Ursprungs und wurde auch in Österreich vorangetrieben. Die dem Habsburger Geschlecht abstammende Maria Theresia (1717–1780) erkannte den wachsenden Stellenwert und stiftete eine k. u. k. Ackerbaugesellschaft, deren Ziel die Unterstützung des Obstbaus in ganz Österreich war.
Gründe dafür waren einerseits die steigende Mostproduktion in den ländlichen Regionen, aber auch der Handel gewann immer mehr an Bedeutung (Vereinsleitung des steiermärkischen Obstbauvereins 1915).
19. und 20. Jahrhundert
Eine wichtige Rolle nahm auch Erzherzog Johann (1782–1859) ein, der auch für sein großes botanisches Interesse bekannt war. Er unterstützte die Gründung vieler k. u. k. Landwirtschaftsgesellschaften: Steiermark (1819), Tirol mit Vorarlberg (1838), Oberösterreich (1845), Salzburg (1849), Kärnten (1889). Von diesen Institutionen wurden bereits vor 1900 Obstbauwanderlehrer entsendet, um das Wissen zum Thema Obstbau bis in die entlegensten Gebiete weiterzuleiten. Ebenso gründete Erzherzog Johann die Zentralbaumschule im Jahr 1820, welche sich in der Nähe des heutigen Grazer Hauptbahnhofs befand, die für einen breiten Zugang zu vielfältigen Obstsorten für die Öffentlichkeit sorgte. Aufzeichnungen aus den Jahren 1833 und 1844 zufolge beherbergte die Zentralbaumschule 697 Apfelsorten und 607 Birnensorten.
Für die Entwicklung des Obstbaus in der Steiermark ist Pater Constantin Keller (1778- 1864), Freund von Erzherzog Johann und Ordensgeistlicher im Benediktinerstift Admont, besonders erwähnenswert. Er gründete zwei Baumschulen, hielt zahlreiche Vorträge über den Obstbau und verteilte kostenlos veredelte Bäume an regionale Bauern. Ein außergewöhnliches Produkt seines großen Interesses ist die Sammlung naturgetreuer 18 Wachsmodellen von Obstsorten, die er von 1815 bis 1840 anfertigte. Von dieser Sammlung sind heute noch über 200 Exemplare erhalten, die das Vorkommen vieler alter Obstsorten in dieser Region nachweisen (Stift Admont 2018).
Die Apfelernte (1888) von Camille Pissarro (1830 - 1903)
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte der Obstbau in der Oststeiermark wirtschaftliche Bedeutung und spielte als zusätzliches Einkommen für Landwirte eine wichtige Rolle. Zu dieser Zeit war das Raabtal aufgrund der Bemühungen des Pomologen Coloman Größbauer (1863 bis 1927) die wichtigste Obstbauregion. In der Gemeinde Gleisdorf wurde eine große Verladestation für den Transport von Äpfeln als Frischware nach Ungarn und Wien errichtet. Die Ausschussware wurde von lokalen Bauern zu Most verarbeitet oder zu Spirituosen gebrannt.
In der Zeit der österreich-ungarischen K.u.K. Monarchie (1867 bis 1918) hatten die hochqualitativen Äpfel aus der Steiermark einen guten Ruf und wurden in viele Kronländer der Monarchie als hochwertiges Produkt verkauft. Obst aus der Steiermark wurde sogar an den russischen Zarenhof verkauft (dokumentiert im Obstbaumuseum „Haus des Apfels“ in Puch).
"Als ich ins Paradies ging" schwärmte der steirische Schriftsteller Peter Rosegger (1843 bis 1918) über die Region um Puch, als er diese durchwanderte. 1979 wurde Puch ein eigenes Gemeindewappen verliehen, welches den Berg Kulm und sechs goldene Äpfel darstellt.
1986 wurde von rund 40 Obstbauern und Gastronomen der Verein „Steirische Apfelstraße“ gegründet.
Dörrobst, Most & Schnaps
Im Herbst war die Erntezeit für Obst in vollem Gange. Die Menschen haben in dieser Zeit viel Obst geerntet und weiterverarbeitet. Dabei haben sie sich gegenseitig geholfen, was zu einer fröhlichen Atmosphäre beigetragen hat. Auch bei uns war es so: Alle halfen zusammen, auch die Tanten, Cousins und Cousinen. Das Obstklauben war eine mühvolle, aber sich lohnende und auch lustige Arbeit. Der Großvater ging mit dem "Birnhacken" von Baum zu Baum und rüttelte und schüttelte, dass es nur so rauschte in den Blättern. Die Mostbirnen hielten es leicht aus, auf dem weichen Gras zu landen, auch dem anderen Pressobst schadete es nicht, denn es wurde dann ja gleich weiterverarbeitet. Beim Obstklauben war der Großvater immer sehr genau: nur ja keine faule Birne in den Sack geben! Denn das beeinträchtigte die Qualität des Resultats, und bei "seinem" Most hatte er einen besonderen Heikel.
Wir klaubten also das Obst in unsere Schürzen und füllen es dann in große Jutesäcke, die zuletzt von den Männern auf einen Anhänger geladen wurden. Wie viel wir Kinder wirklich bei dieser Arbeit halfen, weiß ich nicht, denn wir spielten auch zwischendurch und knabberten so manche Birne an. Danach ging es zur Presse, wo das Obst gepresst und der herrliche frische Saft gleich gekostete werden durfte. Die Abfüllung erfolgte in Fässer, mit denen wir wieder nach Hause fuhren.
Most
Eine Verwendung des geernteten Obstes war das Pressen von Most. Die Früchte wurden in Trögen zerschlagen, zerdrückt oder zerkleinert, und das resultierende Mus wurde dann gepresst.
Alte Mostpresse aus Niederösterreich: Die 174 Jahre alte Mostpresse befand sich im ehemaligen Schlagerhaus, das auch ein Mostmuseum beherbergte. Die kunstvoll verzierte Mostpresse, die im Jahr 1840 gebaut wurde, stammt ursprünglich aus Krottendorf bei Öhling.
Most ist ein Begriff, der für Fruchtsaft verwendet wird, der durch das Pressen von Früchten gewonnen wird. Dieser Saft kann entweder frisch sein oder bereits fermentiert sein, abhängig von der Region und den örtlichen Traditionen. Typische Früchte, aus denen Most hergestellt wird, sind Äpfel (Apfelmost), Birnen oder Trauben (Traubenmost, der als Vorstufe für Wein dient). Andere Obstweine werden normalerweise nicht als Most bezeichnet. Der lateinische Ursprung des Wortes "mostum" bedeutet so viel wie "junger Wein".
Das Flaschenwaschen vor der Abfüllung war eine wichtige Arbeit: Je sauberer gearbeitet wurde, desto länger hielt der Saft.
Die Weiterverarbeitung des frischen Mosts zu "Apfelsaft" beanspruchte ebenso einige Zeit. Am selben Tag wurde der Apfelsaft gekocht und in "Dopplerflaschen" (große grüne Glasflaschen, 2 Liter) abgefüllt und mit roten Gummistoppfeln verschlossen und damit der Gärungsprozess angehalten. So hatten auch wir Kinder den ganzen Winter über ein wunderbares alkoholfreies Getränk.
Geschichte des Mosts
Most war bereits bei den Kelten bekannt und wurde hauptsächlich aus Obstwein hergestellt, um die Verdauung zu fördern. In späteren Jahrhunderten wurde Most aufgrund seiner kostengünstigen Herstellung geschätzt, da ihn praktisch jeder selbst produzieren konnte.
Apfel- und Birnenmost werden aus speziellem Mostobst gewonnen, das einen höheren Gehalt an Gerbstoffen aufweist als Früchte, die zum Verzehr gedacht sind. Der Saft, der durch das Pressen dieser Früchte gewonnen wird, wird als Süßmost bezeichnet.
Mostbirnen und -äpfel
Im späten 15. Jahrhundert wurde in Südtirol eine Maßeinheit für Most namens "Meraner Mostmass" verwendet. In der Schwäbischen Alb war Most im späten 19. Jahrhundert eines der wichtigsten Getränke, das von der Bevölkerung täglich konsumiert wurde.
Bereits 1888 beschreibt Ferdinand Krauss in "Die nordöstliche Steiermark – Eine Wanderung in vergessene Lande", dass bei den Bauern um 9 Uhr vormittags eine Jause bestehend aus Most und Brot eingenommen wurde. So war es auch noch, als ich ein Kind war. Der Briefträger war immer genau um 9 Uhr bei uns und jausnete mit. Ebenso wurde am Nachmittag gegen 16 Uhr wieder Most und Brot gejausnet, was in den 1980er Jahren vom 15 Uhr-Kaffee abgelöst wurde, der zuvor immer nur sonntags eingenommen wurde.
Aus der gleichen Zeit ist beschrieben, dass die Obstausfuhr nach Deutschland bedeutend zugenommen hat, insbesondere Obst zur Mostbereitung (Mostobst, Mostbirnen und dergleichen). Auch der Export von Tafelobst gewann zu dieser Zeit an Bedeutung, hervorgehobne wird die Ausfuhr von der Station Gleisdorf. Die Gegend um den Kulm wird als ungemein fruchtbar beschrieben, auch ein Handel mit Obst und Most in die Obersteier fand statt. Im Allgemeinen wird Most von Krauss als sehr gesundes Getränk beschrieben.
Der Mostkrug war ein wichtiges Utensil in jedem Bauernhaushalt: Der Most blieb darin lange kühl, und mehrmals täglich wurde er wie oben beschrieben angefüllt. Zumeist war er aus Ton oder Steingut. Tonkrüge waren durch Nutzung der Verdunstungskälte schon im Altertum und bis ins 20. Jahrhundert das häufigste Aufbewahrungsgefäß für Milchprodukte und Getränke in Europa. Oben von links nach rechts: ein Mostkrug in Gmundner Keramik. Die Geschichte der Gmundner Keramik reicht weit in die Vergangenheit zurück, wie archäologische Funde in der am Nordende des Traunsees gelegenen Stadt Gmunden belegen. Bereits 1492 wurde die Gmundner Keramik urkundlich erwähnt.; alter Mostkrug Steiermark (19. Jahrhundert); u.v.l.n.r.: sehr alter Mostkrug aus Krems; u.v.l.n.r.: Bembel (Mostkrug) und zwei Gerippte (Gläser) mit Ebbelwei (Apfelwein), typisch für Hessen; Alter Krug Wilhelmsburg Alpenflora mit Vogel; typischer ländlicher Mostkrug.
Das "Mostholen" mit dem Mostkrug aus dem stockdunklen Gewölbekeller war auch eine Aufgabe, die uns Kindern des Öfteren zuteil wurde: Raus aus der warmen Stube, runter in den Hof über eine Außentreppe – dort unten war er, der uralte Keller. Auch mit Licht wurde es dort nicht richtig hell und als Kind fand ich es dort ganz schön unheimlich, man konnte dort Mut und Selbstbeherrschung lernen!
Alter gängiger Zapfhahn; Beispielbilder Keller und Fässer
Heute werden in der Region Oststeiermark preisgekrönte Moste hergestellt: Aus Bohnapfel, Ilzer Rose und Eisapfel wird etwa Streuobstmost hergestellt. Rubinette-Äpfel werden verwendet, um Apfelmost zu produzieren. Die Herstellung von Birnenmost umfasst die Verwendung von Hirschbirnen und Schoberbirnen. Es wird sowohl Apfel-Birnenmost als auch Apfel- und Birnenwein aus Streuobst hergestellt.
Der Eisapfel: Die Sorte ist wahrscheinlich in der Steiermark entstanden. Die erste Beschreibung findet sich 1877 in den „Pomologischen Monatsheften“ unter dem Namen Steirischer Winterborsdorfer. In der Österr. Ungar. Pomologie 1888 wird berichtet, daß sie außerhalb der Steiermark und Kärnten wohl noch nicht weit verbreitet sei. Um 1940 heißt es in der Sortenbeschreibung der Gartenbauzeitschrift „Nach der Arbeit“, daß die Sorte in der Mittel- und Untersteiermark stark verbreitet sei. Sie war vor Beginn dieses Jahrhunderts bis gegen 1960 eine steirische Handels- und Exportfrucht ersten Ranges. Synonyme: Steirischer Winter Maschanzker, Grazer Maschanzker. Der Steirische Maschanzker eignet sich hervorragend als Tafel- und Dörrobst, zur Herstellung von Apfelsaft und -most sowie für den Apfelbrand.
Dörren
Die Obstverarbeitung erfolgte auf verschiedene Arten. Zum einen wurde Obst zu Dörrobst verarbeitet, indem es in kleinen Dörröfen getrocknet wurde. Dies diente dazu, Obst für die Wintermonate haltbar zu machen, bevor es Kühlschränke gab. Das getrocknete Obst wurde entweder als Beigabe zum Brot gegessen oder zu Kompott gekocht. Insbesondere getrocknete Birnen, die Kletzen, wurden zu einer schmackhaften Fülle für Brot zerkleinert, dem sogenannten Kletzenbrot.
Ohne Kletzenbrot kein Weihnachtsfest!
Bereits die Kelten mischten getrocknete Früchte unter ihren Brotteig. „Piratura“ war ein im Mittelalter bekanntes Brot, das aus Brotteig mit gedörrten Obst und Nüssen hergestellt wurde. Das Kletzenbrot ist eines der ältesten Weihnachtsgebäcke und vor allem im österreichischen, bayrischen und schwäbischen Raum weit verbreitet. Das Kletzenbrot gilt vor allem als Fruchtbarkeitssymbol. Es wurde nicht über Klöster und das Bürgertum tradiert, sondern stammt aus dem bäuerlichen Bereich. Der Brauch, Birnen zu trocknen und dann für verschiedenste Gerichte zu verwenden hat eine sehr lange Tradition. So wurden Früchte vermutlich schon im Mittelalter in der Sonne beziehungsweise durch die warme Umgebungsluft getrocknet und konserviert.
Birnen, Äpfel, Zwetschken und anderes wurden im Herbst in Scheiben oder Ringe geschnitten, auf Schnüre aufgefädelt und in trockenen Räumen aufgehängt. Größere Höfe hatten eigene „Darrhüttn“ (Dörrhütten), die in größerer Entfernung von Haus und Stadl zwischen Obstbäumen standen. In der „Darrhüttn“ stand ein kleiner Backofen aus Lehm in dem die Früchte gedörrt wurden. Vielfach wurden die Früchte aber auch in der Sonne getrocknet oder einfach in der Nachhitze des Backofens gedörrt und für den Winter aufbewahrt. Zu Weihnachten mehr dazu!
Dörrofen/Dörrhütte, Kornberg bei Stiwoll, Steiermark, errichtet: 1878. Über dem aus Bruchsteinen gemauerten Ofen ist die in überkämmtem Blockbau gezimmerte Dörrkammer aufgesetzt. Dort befinden sich 8 Roste, in denen das ausgebreitete Obst wie Äpfel, Birnen, Zwetschken u. a. durch die im Ofen erzeugte Hitze gedörrt werden konnte. Die Lagen mussten wegen der unterschiedlichen Hitze immer wieder umgeschichtet werden. Die Grundkonstruktion entspricht den heutigen Trockengeräten. Im Winter konnte hier auch der Flachs gedörrt und danach im Stadel gebrechelt werden. (Bild: ÖFM Stübing)
Eine Dörrhütte zum Dörren (deeschen) von Obst (vorwiegend Zwetschken und Birnen) gab es früher fast bei jedem Bauernhaus. Die durch Wasserentzug haltbar gemachten Lebensmittel dienten in der kargen Winterzeit als willkommene Abwechslung entweder „unveredelt“ oder als Zutaten zum Kletzenbrot. (Foto: Franz Höller, Ausseerland)
Kletzen sind getrocknete Birnen, die im Gegensatz zu herkömmlichem Dörrobst im Ganzen getrocknet werden, wodurch die meisten Vitamine der Frucht erhalten bleiben. Geeignete Birnensorten für die Herstellung von Kletzen sind süßere Sorten mit festem Fruchtfleisch, wie beispielsweise die österreichischen Mostbirnen aus bestimmten Regionen.
Kletzen: Die Herstellung von Kletzen erfolgt, indem die geernteten Birnen als Ganzes in einem Dörr-Ofen bei etwa 60 Grad Celsius für etwa 18 Stunden getrocknet werden. Im Vergleich zu klassischem Dörrobst haben Kletzen immer noch ein weiches Fruchtfleisch. Um Kletzen weiterzuverarbeiten, werden sie gekocht oder mindestens für etwa 24 Stunden in Wasser eingeweicht. Dies macht sie saftiger und erleichtert das Zuschneiden. Kletzen werden in verschiedenen Rezepten verwendet, darunter die Kärntner Kletzen-Nudeln und das traditionelle weihnachtliche Kletzenbrot.
Schnapsbrennen
Die dritte Verwendungsmöglichkeit bestand darin, aus vergorener Maische Branntwein zu brennen. das Brennen von Alkohol aus vergorener Maische ist eine traditionelle Methode zur Herstellung von Schnaps oder Branntwein.
Schnaps wird gern aus Most von Äpfeln von alten Streuobstbäumen hergestellt. Dieser Obstler ist bekannt und begehrt.
Das Schnapsbrennen ist eine der letzten Traditionen der bäuerlichen Winterarbeit, bei der Nachbarn und Freunde wie in vergangenen Zeiten zusammenkommen, um gemeinsam zu arbeiten und sich zu unterhalten. Früher gehörten zu diesen beliebten Arbeitsabenden auch das Maisschälen (Woazheitn), das Federnschleißn, das Bohnen- und Nußkiefeln. Um die Arbeit angenehmer zu gestalten, servieren die Hausleute den bekanntesten Schnaps der Region, den "doppelgebrannten Zwetschgernen".
Obstler, hier zum Beispiel Birnenschnaps (Foto: kontrast-fotodesign / iStock)
In den kalten kalten Wintertagen strömt oft ein eigenartiger Geruch aus den Kellern der Bauernhäuser. Wenige Tage bis mehrere Wochen lang brodelt dann die Maische unterschiedlichster Früchte in den Schnapsbrennkesseln, bis der kostbare „Klare“ getrunken werden kann. Das Schnapsbrennen bei einem der Bauern spricht sich in den jeweiligen Dörfern schnell herum. Um den Brenner, der Tage- oder Wochenlang den Brennkessel beheizen und ununterbrochen beaufsichtigen muss, die Zeit zu verkürzen, wird dieser von Freunden und Nachbarn besucht und der Neugebrannte auch an Ort und Stelle sofort beurteilt. Bei diesen Schnapsbrennabenden werden alle Neuigkeiten der Region ausgetauscht, Karten gespielt und wie es noch vor einigen Jahrzehnten Brauch war, Bauernspiele durchgeführt. Besonders beliebt dabei waren das Eselreiten, Stockschlagen, Faustschieben, Vögel malen, Schlüssel abtreten, Stellung gehen, Zug fahren oder Hakelziehen.
Fingerhakeln (Gemälde von Georg Schildknecht 1850 bis 1939)
Als Abfindungsbrenner ist es nur gestattet, Früchte zu brennen, die auf dem eigenen Land wachsen oder wilde Früchte, die selbst gesammelt wurden. Die Brennpraxis erfolgt normalerweise in zwei Schritten: zuerst wird der Rauhbrand durchgeführt, bei dem der Alkohol von der Maische getrennt wird, gefolgt vom Feinbrand, dem Herzstück des Schnapses. Der Rauhbrand wird in der Regel nicht als Trinkschnaps verwendet, sondern findet eher in der Volksmedizin Anwendung. Es ist weit verbreitet, schmerzende Körperstellen mit Rauhbrand einzureiben.
Schnaps wird auch zur Linderung von Muskelverspannungen eingesetzt, nach einem Kreuzotterbiss getrunken und auf Wunden von Rindern aufgetragen. Eine Mischung aus Kampfer und Schnaps hat sich bei der Einreibung schmerzender Stellen bewährt. Bei Venenentzündungen wird ein auf Rosskastaniensamen angesetzter Schnaps als Einreibung verwendet.
Schnapsbrenner auf dem Bodenberg, Zell, im Jahre 1933. (Bild von Franz Wüest, Zell, CH).
Obstler
Obstbrand, auch als Obstwasser oder Obstler bekannt, ist eine Art von Schnaps, der aus Früchten wie Birnen, Äpfeln oder Zwetschgen hergestellt wird. Zuerst werden diese Früchte zu einer Mischung zerkleinert und dann einem Gärprozess unterzogen, bei dem der Zucker in Alkohol umgewandelt wird. Anschließend erfolgt die Destillation, bei der der Alkohol konzentriert wird, um den Obstbrand zu gewinnen. Diese Spirituose hat einen Mindestalkoholgehalt von 37,5 Volumenprozent.
Und so läuft dieser Prozess im Allgemeinen ab:
Herstellung der Maische: Zuerst werden Früchte, Getreide oder andere Rohstoffe zerkleinert, gepresst oder gemahlen, um eine Maische herzustellen. Die Maische wird dann vergoren, normalerweise durch Hinzufügen von Hefe, um den Zucker in Alkohol umzuwandeln. Dieser Gärprozess kann einige Tage bis Wochen dauern, je nach Art der Maische und den gewünschten Alkoholgehalt.
Destillation: Die vergorene Maische wird in einen Destillationsapparat gegeben, normalerweise einen Brennkessel oder eine Brennsäule. Durch Erhitzen der Maische verdampft der Alkohol, und die Dämpfe werden in einem Kühlrohr kondensiert und in flüssiger Form gesammelt. Dieser Vorgang trennt den Alkohol von anderen Verbindungen in der Maische und erhöht den Alkoholgehalt erheblich.
Fraktionierung: Bei der Destillation können verschiedene Fraktionen des Alkohols getrennt werden, abhängig von ihrer Siedetemperatur und ihrem Molekulargewicht. Der "Herzbrand" ist die mittlere Fraktion und enthält den Großteil des reinen Alkohols. Der "Vorlauf" und der "Nachlauf" sind weniger wünschenswerte Fraktionen und werden normalerweise verworfen oder erneut destilliert.
Lagerung: Einige Schnäpse, wie Whisky oder Brandy, werden nach der Destillation in Holzfässern gelagert, um ihren Geschmack und ihre Aromen zu entwickeln. Die Lagerung kann Jahre dauern und ist ein wichtiger Schritt in der Herstellung hochwertiger Spirituosen.
Abfüllung: Nach der Destillation und ggf. der Lagerung wird der Schnaps in Flaschen abgefüllt und ist dann bereit für den Verkauf und Genuss.
Das Mostviertel
Das Mostviertel, auch bekannt als "Viertel ober dem Wienerwald", ist eines der vier Viertel (Most-, Wald-, Industrie- und Weinviertel) im südwestlichen Teil Niederösterreichs. Es verdankt seinen Namen dem Anbau von Apfel- und Birnenmost. Diese Region zwischen den Flüssen Ybbs und Enns bietet ideale klimatische Bedingungen für den Anbau von Obstbäumen und gilt als das Kerngebiet für die Mostwirtschaft.
Charakteristisch für das Mostviertel sind die ausgedehnten Streuobstwiesen, die die Gehöfte umgeben, sowie die sanft hügelige Landschaft des Alpenvorlandes. Das Mostviertel umfasst Gebiete wie das Ybbsfeld um Amstetten und das Urltal, die hügelige Region und das Hauptanbaugebiet für Mostbäume.
Der Most hat im Laufe der Jahre einen gesteigerten kulturellen Wert erhalten und wird heute als ein identitätsstiftendes Merkmal der Region betrachtet. Zahlreiche Mostheurige laden Besucher ein, hausgemachte Jause mit regionalen Spezialitäten, Desserts, Schnäpsen und verschiedenen Mostsorten zu genießen. Die Vielfalt der Moste ist beeindruckend. In der Region findet man mehr als 3.000 Vierkanthöfe, Gebäude, die in einem geschlossenen Viereck um einen Innenhof angeordnet sind.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen reinem Apfelmost und Birnenmost, wobei Mischmoste ebenfalls häufig vorkommen. Während in den meisten Mostregionen hauptsächlich Äpfel für die Mostherstellung verwendet werden, ist es im niederösterreichischen Mostviertel die Birne. Die Region zeichnet sich durch ihre weitläufigen Streuobstwiesen aus, auf denen hauptsächlich Birnbäume wachsen.
Mostviertel im Herbst (Bild: mostviertel.at)
Mostbirnbäume können bis zu 200 Jahre alt werden und blühen Ende April bis Anfang Mai. Von den über 300 verschiedenen Birnensorten der Region eignen sich etwa 20 besonders gut für die Mostproduktion. Zu den bekanntesten Birnensorten gehören die Pichelbirne, Amstettner Mostbirne, Dorschbirne, Honnelbirne, Speckbirne und Landlbirne. Birnenmost gibt es in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen: mild, halbmild, kräftig und resch. Die Mostbirne wird auch zur Herstellung von Fruchtsäften, Edelbränden, Essig, Frizzante und hochwertigen Cuvées verwendet.
Ökologie und "Alte Sorten"
Streuobstbäume als Teil einer traditionellen und bewährten Landwirtschaft mit ihren hochstämmigen Formen sind weithin sichtbar und prägen das Landschaftsbild. Es gab sie überall in Europa, auch in Österreich, waren sie doch durch die Doppelnutzung als Futterfläche auf der Wiese und dem Obstanbau auf Hochstämmen ein Erfolgsmodell. Das Mostviertel in Niederösterreich weist vom Namen her auf besonders viele Streuobstwiesen hin. Aber man fand sie in ganz Österreich auf fast jedem geologischen Untergrund, denn sie sind grundsätzlich für fast alle Lagen geeignet. Obwohl sie in der Steiermark oft in günstigen Lagen wie der Südsteiermark zu finden sind, wurden Streuobstwiesen auch in Regionen mit rauem Klima angelegt, etwa am Zirbitzkogel und dem Wechsel, wo hauptsächlich Apfel- und Birnbäume gepflanzt, während in wärmeren Gebieten auch Zwetschgen, Kirschen und Walnussbäume zu finden sind. Diese Streuobstwiesen zeichnen sich nicht nur durch verschiedene Baumarten aus, sondern oft auch durch eine bunte Mischung von Obstsorten, verschiedenen Baumformen und unterschiedlichen Altersstufen. Der Boden unter den Bäumen wird normalerweise als extensiv bewirtschaftete Mähwiese oder Weide genutzt.
Auf einer Streuobstwiese sind die Bäume unregelmäßig über die Fläche verteilt, daher stammt auch der Name "Streuobstwiese". Diese Anbaumethode hatte ursprünglich den Zweck, sowohl das Vieh mit hochwertigem Heu als auch die Menschen mit frischem Obst zu versorgen.
Obstbaueignung in Österreich*
Streuobstwiesen als heimisches Kulturgut tragen wesentlich zur Landschaftsgestaltung bei und bieten vielen heimischen Wildtieren und Pflanzenarten einen Lebensraum. Die nachhaltige Pflege von Streuobstwiesen fördert die biologische Vielfalt in diesen blütenreichen Biotopen. Sie sind wichtige Lebensräume für Insekten, Vögel und kleine Säugetiere wie Fledermäuse oder Siebenschläfer. Gut erhaltene Streuobstwiesen beherbergen oft artenreiche Halbtrockenrasen unter den Bäumen. Selbst ungepflegte, verwilderte Streuobstwiesen können durch regelmäßige Mahd oder Beweidung in blütenreiche Lebensräume verwandelt werden, wobei Schafe und Ziegen als natürliche Rasenmäher dienen.
Die alten Obstsorten, die heute noch im traditionellen Streuobstanbau verwendet werden, haben sich in einer Zeit entwickelt, in der Pflanzenschutzmittel entweder gar nicht oder nur begrenzt verfügbar waren. Daher zeichnen sie sich durch ihre besondere Robustheit gegenüber Krankheiten und Schädlingen aus.
Diese Sorten sind in der Regel regional spezifisch und tragen oft Namen, die auf ihre Herkunft hinweisen, wie die Pöllauer Hirschbirne, der Mostviertler Holzapfel, der Erbachhofer, der norddeutsche Boikenapfel, der Rheinische Krummstiel und der Rheinische Bohnapfel. Einige dieser Sorten waren sogar auf wenige Dörfer oder Regionen beschränkt und werden als Lokalsorten bezeichnet.
Pöllauer Hirschbirne
Im Gegensatz dazu stammen die heutigen Kultursorten, die im intensiven Obstbau verwendet werden, oft von ähnlichen Elternsorten ab. Die typischen alten Obstsorten der Streuobstwiesen, die über Jahrhunderte hinweg ortsspezifisch entwickelt wurden, stellen daher ein bedeutendes genetisches Reservoir dar.
Es gibt viele Obst-Raritäten, die zunehmend in Vergessenheit geraten, wie die Ananasrenette, Purpurroter Cousinot, Steirische Schafnase, Hirschbirne, Berner Rosenapfel oder Lavanttaler Bananenapfel. Ursprünglich gab es unglaubliche 2.000 Apfelsorten allein in der Steiermark. Jede dieser völlig ungespritzten Sorten hat ihre spezielle Verwendung: einige eignen sich zum sofortigen Verzehr, andere sind ideal für die Mostherstellung, einige werden zu Dörrfrüchten verarbeitet, während wieder andere perfekt für Strudel oder die Herstellung von Schnaps sind.
Und später im Winter?
Winteräpfel sind Apfelsorten, die nach ihrer Ernte im Herbst, oft im Oktober oder November, mindestens noch ein bis zwei Monate gelagert werden müssen, um im Dezember oder später im Winter genießbar zu sein. Diese Sorten zeichnen sich nicht nur durch ihre späte Erntezeit aus, sondern auch durch ihre lange Lagerfähigkeit. In einigen Fällen können Winteräpfel bis in den späten Frühling hinein gelagert werden. Früher spielten die lange haltbaren Winteräpfel eine wichtige Rolle bei der Versorgung mit Obst im Winter.
Der Rote Eisapfel
Der Rote Eisapfel ist eine alte Apfelsorte, die aus dem 16. Jahrhundert stammt und bis in die 1950er Jahre in Europa weit verbreitet war. Die Äpfel haben eine Deckfarbe von verwaschenem dunklem Blutrot und sind durch zahlreiche helle Punkte gekennzeichnet, die wie kleine Sterne auf dem roten Hintergrund erscheinen. Diese Sorte zeichnet sich durch ihre außergewöhnliche Lagerfähigkeit aus, was sie für Selbstversorger und Kleinbauern attraktiv machte.
Diese Apfelsorte wurde im 16. Jahrhundert in der Umgebung von Bamberg und Nürnberg angebaut und hat eine lange Geschichte in Europa. Die Erntezeit für den Roten Eiserapfel beginnt ab Ende Oktober, und die Äpfel können bis Dezember reifen. Sie werden oft erst nach einer Reifezeit von 4-6 Wochen im Dezember in ihrer vollen Pracht genossen. Der Rote Eiserapfel ist für seine außergewöhnliche Lagerfähigkeit bekannt. Früher wurden die Äpfel in Erdmieten aufbewahrt und konnten bis zum übernächsten Jahr frisch gehalten werden. Bis Juli können sie ohne Welken gelagert werden.
Der Eisapfel, auch als Jahrapfel bekannt, ist ein vielseitiger Apfel, der in verschiedenen Bereichen Verwendung findet. Diese Sorte wird oft als Wirtschaftsapfel bezeichnet und eignet sich hervorragend zum Kochen, Backen, Obstweinbereitung, Einmachen und Entsaften. Darüber hinaus ist er ideal zum Dörren und zur Herstellung von Apfelstückchen geeignet. Er ist auch als "Krampusapfel" bekannt und wird traditionell zu Nikolaus (5./6. Dezember) verschenkt. Aufgrund seines Aussehens wird er oft als Weihnachts- und Zierapfel verwendet.
Aufgrund seiner Gesundheit und Wüchsigkeit eignet sich der Rote Eiserapfel besonders gut für den Anbau auf Streuobstwiesen. Der Tafelapfel ist vielseitig einsetzbar und kann als Straßen-, Wege-, Dorfplatz- und Innenhofbaum in größeren Hausgärten dienen oder auf Streuobstwiesen, -weiden und Feldern angebaut werden.
Weitere bekannte Winterapfelsorten sind der 'Purpurrote Cousinot', die 'Rote Sternrenette', der 'Rote von Simonffi', der Rosenapfel, der 'Chrysofsker'
Kronprinz Rudolf
Der Apfel namens "Steirischer Kronprinz Rudolf" ist ein Zufallssämling, der im 19. Jahrhundert von Johann Klöckner in seinem Obstgarten in Wolfgruben bei Gleisdorf in der Steiermark (Österreich) entdeckt wurde. Diese Apfelsorte wird seit etwa 1860 in der Steiermark kultiviert. Die Sorte wurde im Jahr 1873 anlässlich der Wiener Weltausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt und zu Ehren des damaligen österreichischen Thronfolgers Kronprinz Rudolf (1858 bis 1889), dem Sohn von Kaiser Franz Joseph I von Österreich-Ungarn (1830 bis 1916), benannt.
Auch eine zweite Versionen der Herkunft ist überliefert: Franz Pfann, ein bekannter Pomologe aus Pöllau bei Hartberg, hat die Sorte auf der 1. Österreichischen Reichsgartenbauausstellung im Jahr 1901 vorgestellt und wurde dafür ausgezeichnet. Er erhielt das Ehrendiplom des Gartenbauvereins, 100 Kronen in Gold und die bronzene Medaille für zwei neue Apfelsorten, von denen eine angeblich der "Kronprinz Rudolf" war.
Im Hause Pfann wurde auch die Urkunde aufbewahrt, mit der das Kaiserhaus die Verwendung des Namens des Kronprinzen für diese neue Apfelsorte genehmigte. Es ist nicht bekannt, ob Pfann und Klöckner möglicherweise gemeinsam an der Züchtung dieser Apfelsorte beteiligt waren.
Die Früchte des Kronprinz Rudolf sollten angeblich nicht vor Mitte Oktober gepflückt werden, da dies als Unglück bringend galt. Unter geeigneten Lagerbedingungen konnten die Äpfel bis April haltbar sein. Die Sorte erlangte auf der Wiener Weltausstellung im Jahr 1873 größere Bekanntheit.
Kronprinz Rudolf Apfelbäume
Interessanterweise hat die Apfelsorte Kronprinz Rudolf nur in Österreich an Bedeutung gewonnen. Die Sorte hat die Steiermark seitdem kaum verlassen, denn Anbauversuche in anderen Obstbaugebieten waren nur selten von Erfolg gekrönt. Es wird berichtet, dass sie in anderen Ländern bei Anpflanzungsversuchen eher versagt hat. Offensichtlich benötigt sie spezielle Standortbedingungen, die in der Steiermark besonders gut geeignet sind.
Der Steirische Kronprinz Rudolf ist ein kleiner bis mittelgroßer Apfel, der eine Höhe von 5 bis 5,7 cm und eine Breite von 6 bis 7 cm aufweist. Die Schale ist gelbgrün bis grünlich-weiß, zeigt jedoch sonnenseitig eine intensive Rote Färbung. Das Fruchtfleisch dieser Apfelsorte ist weißlich bis cremig, von mittlerer Festigkeit und äußerst saftig. Der Geschmack ist leicht süßlich und gleichzeitig leicht säuerlich.
Der Steirische Kronprinz Rudolf ist ein typischer Winterapfel und erreicht seine Genussreife von November bis Januar. Er ist bis März oder April lagerfähig.
Bei Herbst- und Winterspaziergängen zeigt sich manchmal ein laubloser Apfelbaum mit roten Äpfeln.
Quellen
Falkenburger, D. (2018): Streuobstwiese – eine pädagogisch wertvolle Kulturlandschaft Österreichs". Diplomarbeit, Universität Graz.
*Gantar, E.-M.; Dianat K.; Holler C. (2011): Zur Situation des Streuobstbaus und der obstgenetischen Ressourcen in Österreich. In: Ländlicher Raum, Online Fachzeitschrift des Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft.
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