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"Frisch- und G'sundschlagen" und "Aufkindeln" am Unschuldigenkindertag ‒ 28. Dezember



Heute ist der Tag der Unschuldigen Kinder.  Das "Frisch- und G'sundschlagen", "Aufkindeln", "Schmeißen", "Pissnen" oder "Schappen" ist in der Steiermark, in Kärnten und im Burgenland ein verbreiteter Brauch (gewesen). Im Matthäusevangelium ist zu lesen, dass auf Befehl von König Herodes alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren ermordet wurden. Dieses biblische Ereignis liegt dem alten, traditionellen Brauch des "Auffrischens" zugrunde. Das "Frisch- und G'sundschlagen", "Aufkindeln", "Schmeißen", "Pissnen" oder "Schappen" ist in der Steiermark, in Kärnten, Niederösterreich und im Burgenland ein verbreiteter Brauch. Am Tag der Unschuldigen Kinder ziehen Kinder bis ungefähr 12 Jahre von Haus zu Haus und wünschen Nachbarn, Freunden und Verwandten mit einer Rute aus verschieden gebundenen Zweigen oder einem großen Tannenzweig unter Begleitung von kräftigen Hieben auf das Hinterteil ein frohes und gesundes neues Jahr.



"Bethlehemitischer Kindermord": Pieter Bruegel d. Ä. (um 1525/30 Breugel oder Antwerpen? - 1569 Brüssel) - Pieter Brueghel d. J. (fraglich) (um 1564/65 Brüssel - 1638 Antwerpen) - Eichenholz Niederländisch, Flämisch, 4. Viertel 16. Jahrhundert


Beim Aufkindeln handelt es sich um einen Heischebrauch – ein Brauch, bei dem es um das Fordern oder Erbitten von Gaben geht. Die Kinder stehen sehr früh auf und ziehen ab sechs Uhr früh bis Mittag von Haus zu Haus durch die Gegend. Um 12 Uhr Mittag ist Schluss. Später Kommenden droht man, sie ins Ofenloch zu stecken.


Kinder beim "Pissnen" in Gmünd (NÖ). Aufnahme aus dem Bestand des Kärntner Heimatmuseums in Klagenfurt


Als Belohnung erhalten die Kinder Naschzeug, Äpfel, Nüsse, Kletzenbrot und Backwerk, die manche Hausfrauen in ganzen Körben für diesen Zweck bereitstellen, aber auch Kleinmünzen. Wer viel gibt, dem wird nach dem Volksglauben reichlicher Ertrag der Fluren lohnen, wer die Glückbringer abweist, bringt sich um den Segen. Im oberen Lavanttal (Kärnten) heißt es, je mehr „Schmeißer", desto besser für den Getreidebau.


Verschiedene Ruten zum "Auffrischen", v.l.n.r: klassische "Reisruat'n; burgenländische „Korwatsch“ (Maskenschmiede Koller); Nahaufnahme des Flechtwerks



Dabei wird von den Kindern ein – sich je nach Region leicht unterscheidender Spruch aufgesagt*:


„Frisch und g’sund, frisch und g’sund,
Lang leben und g’sund bleibe
und a glücklichs Neujahr!
Frisch und g’sund, frisch und g’sund
long lebm und g’sund bleibm
nix klunzn und nix klogn
bis i wieda kum schlogn!“.


In der Oststeiermark ist folgender Spruch üblich:

„Frisch und g’sund, Frisch und g’sund
ganzes Jahr pumperlg’sund,
gern geb’n, lang leb’n, glückselig sterb’n,
Christkindl am Hochaltar,
des wünsch i dir zum neuen Jahr.“


Wolfau und Markt Allhau (Burgenland)

„Frisch und g’sund,
frisch und g’sund,
ganzes Johr rund und g’sund.
Beißt di ka Floh nit,
und ka Laus a nit.
Gott soll’s a geb’n,
lang sollst leb’n –
und an Beutl Geld daneb’n!“


In der Südsteiermark:

"Frisch und gsund, frisch und gsund
lang leben, gsund bleibn,
s'Christkindl am Hochaltar
wünscht eich a guats neigs Joar."


Weststeiermark:

"Frisch'n gsund, frisch'n gsund Lång lebn ålts mutterl/ ålts vaterl werden Nix grunzn, nix klågn
bis i wieder kimm schlogn Des christkindl am Hochaltar wünscht euch allen ein gut's neu's
Joah."


oder im Klagenfurter Raum:

„Schipp Schapp frisch und gsund,
lång lebn, gsund bleibn,
und a glücklichs neigs joa,
nit klunzn nit klågn,
bis i wieda kum schlågn!“


Raum Unterkärnten:

"Frisch und g'sund, frisch und g'sund,
long lebn, g'sund bleibn, ned klunzn, ned klogn
bis I wida kumm schlogn.
De Engalan mit de goldanen Hoor
wünschn eich a guats neigs Johr!"



Bereits im 15. Jahrhundert ist das Bestehen des "Frisch und G'sundschlagens" belegt:

Franz Leskoschek liefert dafür folgenden Beweis:

Ein handkoloriertes Kalenderblatt aus dem 15. Jahrhundert, das sich in der Bibliothek des Stiftes Admont befindet, zeigt über dem 28. Dezember eine grüne Rute, die das Sinnbild eines uralten Brauches ist, der am Tag der Unschuldigen Kinder heute noch überall im Volke lebendig ist.

Weiters führt er in seinem Aufsatz "Frisch und gsund! Ein alpenländischer Brauch zur Jahreswende" (1946) an:

Früher einmal schlugen sich Burschen und Mädchen, und selbst dem Vieh und den Obstbäumen kam dieser Fruchtbarkeitssegen zugute.

Seinem Aufsatz sind weitere Einträge zum "Aufkindeln" aus dem 17. Jahrhundert zu entnehmen:

Für Steiermark haben sich Nachrichten darüber bereits aus dem 17. Jahrhundert erhalten. Eine Donnersbacher Pfarr Raittung aus dem Jahre 1634 vermerkt, wohl als Ergebnis einer Kirchensammlung, am 'aller khindlein tag in weynachten', während das Ausgabenbuch des Stiftes Göß von 1677—1681 eine Eintragung aufweist, die das Ausüben dieses Brauches, und zwar durch Kinder, eindeutig bezeugt: 'den khindern am khindl dag'.

Leopold Schmidt, der sich 1966 in seinem Aufsatz "Das Frisch- und Gesundschlagen im Burgenland. Mit einer Verbreitungskarte" eingehend mit der Verbreitung dieses Brauchs im Burgenland auseinandergesetzt hat, schreibt darin:

Das „Aufkindeln“ ist innerhalb der ostalpinen Brauchliteratur sicherlich durch Peter Rosegger so beliebt geworden. Seine Skizze „Aufkindeln“ 1870 in seinen „Sittenbildern aus dem steirischen Oberlande“ erschienen, hat so manchen städtischen Zeitgenossen erst darauf aufmerksam gemacht, daß sich da alljährlich vor seiner Haustür ein derartiger Brauch abspielte.
Rosegger hat den Brauch angeblich im „Jouglland“, also in der nördlichen Oststeiermark, erlebt, als herbergsuchender junger Handwerksbursche will er am Tag der Unschuldigen Kinder von dem Mädchen des Hauses mit der Rute am frühen Morgen geschlagen worden sein, der Spruch hätte
Kindl, Kindl auf!
schön frisch und g’sund!
Kindl, Kindl auf,
schön frisch und g’sund!
gelautet. Im Nachwort zu seinem Erlebnisbericht schreibt er noch:
"In vielen Orten laufen am 28. Dezember, als am Gedächtnis tage des herodianischen Kindermordes, die Kinder armer Leute, mit Birkenruten bewaffnet, auf den Gassen herum und versetzen Jedem, der ihnen begegnet, mit den Worten „frisch und gsund, frisch und gsund!“ einige Streiche um die Beine. Selbst in die Häuser der Nachbarn eilen sie und verschonen weder den Hausherrn noch die Hausfrau, ja sogar der Dorfrichter und der Pfarrer kriegt seine Tracht Schläge, bis er sich mit einem Geldstück von den kleinen Tyrannen freigekauft hat“

Eine weitere Aufzeichnung des Brauchs gibt es von 1904 von Rosa Fischer (ebenfalls in Schmidt), die einen

engen Zusammenhang des Brauch- und Spruchgutes des steirischen Wechselgebietes mit dem des mittleren Burgenlandes

sieht.




Verwendete Rutengehölze

Die in den Zweigen der Weide, Tanne, Fichte, Birke, Wacholder und Hasel vermuteten Kräfte sollen auf die Menschen durch leichtes Schlagen auf die Menschen übertragen werden. Dabei hofft man, dass die in den Zweigen dieser Bäume und Sträucher vermuteten Kräfte durch leichtes Schlagen in Form von Lebenskraft und Gesundheit auf den menschlichen Körper übergehen.


Diese Zweige gelten als Frühstarter und treiben schon früh aus. Sie beinhalten viel Lebenskraft. Die Weide ist wegen ihres üppigen Wachstums ein Symbol der Fruchtbarkeit. Weiden werden auch als Weihbusche verwendet, besonders ist die Weide für uns wichtig, sie liefert unsere Palmkätzchen. Die Weidenäste werden in der Korbbinderei verarbeitet. Weiden bevorzugen einen feuchten Standort. Deshalb findet man sie vor allem an Bächen und Flussufern oder auch in der Nähe von Seen, Teichen und Tümpeln. In der nordischen Mythologie war die Weide ein heiliger Baum für die Göttin Iduna. Iduna ist die Göttin der unvergänglichen Jugend. Der Weidenbaum wächst ja auch relativ schnell und aus abgebrochenen Ästen wächst auch wieder schnell ein neuer Baum. So ist es kein Wunder das eben die Weide auch als Baum der Jugend gilt.



Der Tanne und der Fichte als immergrüne Bäume kommt in der Weihnachtszeit eine besondere Bedeutung zu. Die alten Germanen verehrten die Tanne als Symbol für Fruchtbarkeit, Wachstum und ewiges Leben. Als Wappen-Baum vermittelt sie Dauerhaftigkeit und Treue – hergeleitet von den immergrünen Nadeln. Bei den Kelten stand der stattliche Baum für Größe, Stärke, Weisheit, Schönheit und Würde. Für die Christen ist er mit den Themen Geburt und Auferstehung verbunden. Die Fichte soll bei den Römern ein Symbol der Hoffnung gewesen sein, weil sie so kräftig wirken und schnell wachsen. Auch heute noch werden bei Begräbnissen gerne Fichtenzweige eingesetzt. Im traditionellen Brauchtum haben sie eine große Bedeutung als Maibäume und Christbäume. Die Germanen verehrten sie als Schutzbaum, Lebensbaum und Mutterbaum. Den Harzen der Tannen und Fichten wird heilende Wirkung zugesprochen, ebenso wie der Waldhonig, der besonders wegen seines Geschmacks und seiner wohltuenden Wirkung auf die Gesundheit geschätzt wird.



Der Wacholder, oder auch Kranewitt oder Kranebittl genannt, wird aufgrund seiner Vielseitigkeit sehr geschätzt. Er ist immergrün, frostresistent und hat spitze, sehr stachelige Nadeln. Der Spruch „Vorm Holunder sollst du den Hut ziehen, vorm Wacholder niederknien“ weist auf das große Ansehen hin, das die Pflanze genießt. Wacholder bedeutet so viel wie kräftig und lebensfrisch und steht für ewiges Leben, Gesundheit, Wehrhaftigkeit und Fruchtbarkeit. In Österreich ist es Brauch, sich einen Wacholderzweig auf den Hut zu stecken, um bei Wanderungen vorzeitige Ermüdung zu verhindern. Die volkstümliche Bezeichnung „Weckhalter“ deutet darauf hin, dass der Wacholder als „Wach-halter“ angesehen wurde, der Menschen am Leben erhält oder nach dem Tod wieder ins Leben zurückführt. Außerdem soll er Krankheiten und negative Energien vom Leib halten, aufhellend, klärend, erdend und belebend wirken.


Die Germanen verehrten ihn als heilige Pflanze mit gutmütigem Wesen. Wenn man Zweige über der Tür befestigt, muss man keine Angst mehr vor Hexen haben. Auch die Beeren werden gerne für Schutz-Rituale verwendet. Der Rauch soll keimtötend wirken und den Kontakt zu den Ahnen fördern. Das Räuchern mit Wacholder hat eine uralte Tradition. Dafür werden getrocknete Nadeln, Zweige, Beeren und Holzspäne verwendet. Das Holz ist für Schnitzereien, Stöcke und kleine Möbel geeignet. Aus Wacholder werden Schnäpse und Sirup hergestellt. Ein "Wacholder" darf in meiner Hausbar nicht fehlen – ebenso wie er beim Selchen und Räuchern von Fleisch und Fisch und beim Kochen generell (Wild, Suppen, Rind) unabkömmlich ist! Der Gin, der ebenfalls aus Wacholderbeeren hergestellt wird, ist bei uns sommers wie winters ein beliebtes Getränk. Männer aus unserer Gegend zerkauen gerne ein paar Wacholderbeeren zur Erfrischung. „Eichenlaub und Kranewitt, dös mag der Teufel nit!“




Die Hasel ist ein besonders lieblicher Strauch, und sie gehört zu den Birkengewächsen. Die geradwüchsigen Gerten sind ein gutes Flecht-Material für Körbe und Zäune. Aus stärkeren Ästen kann man Bögen spannen, Fass-Reifen und Spazierstöcke fertigen. Zu Ostern werden junge Haselnusszweige in die Vase gesteckt. Bei den Germanen galt die Hasel als Symbol für Erotik, Fruchtbarkeit, Zeugungskraft und Regenerationskraft. Gibt es viele Haselnüsse, gibt es auch viele Kinder, so der überlieferte Aberglaube. Die Nüsse sollen aphrodisierend wirken und die Potenz steigern. Die alten Römer verwendeten die Zweige als Friedenssymbole. Und auch bei den Kelten gehörte das Gehölz zu den Heiligen Pflanzen. Sie legten die Zweige sogar als Beigabe ins Grab – als Sinnbild für Unsterblichkeit, Erneuerung und Jugendlichkeit.



Die Birke strahlt hell im dunklen Winter. Sie war der erste Baum, der nach der Eiszeit die Böden besiedelte, da sie kältebeständig ist. Die Jäger und Sammler der Altsteinzeit nutzten Birkenpech oder –teer, um Pfeilspitzen, Behälter, Kleidung und Boote abzudichten und zu „kleben“. In nahezu allen Kulturen der Welt steht der Baum für die wieder erwachende Natur, den Vorfrühling. Seit uralten Zeiten gilt die Birke als heiliger Baum. Ihre ursprüngliche Wortbedeutung ist wie ihr Aussehen: hell, leuchtend, strahlend. Niederländisch heißt sie „berk“, englisch „birch“, schwedisch „björk“, altindisch „bhurja“ und russisch „berza“. Der Wortstamm von Birke ist „bher“ = glänzend, leuchtend, hell; im Englischen „bright“ = strahlend, leuchtend; althochdeutsch „berath“ und mittelhochdeutsch „berth“ = glänzend.


Mit demselben Wortstamm wird auch die Frau Percht (Frau Berchta oder Frau Holle) in Verbindung gebracht. Die Birke ist der heilige Baum der namensverwandten keltischen Göttin Brighid oder Brigha (Brigitte, Birgit), deren Bedeutung ebenfalls „die Lichtvolle“, „die Strahlende“ bedeutet. Sie ist die große segensvolle Göttin der Liebe, der Weisheit, der Heilung und der Künste im keltischen ebenso wie im germanischen Lebensraum, wo sie „Frigg“, „Friga“ oder „Freya“ genannt wird. Ihr Name schmückt einen unserer Wochentage: den Freitag, den Tag der Frau. Auch nach der Christianisierung blieb der Freitag der Tag Unserer Lieben Frau – der Mutter Gottes. Maiandachten werden vorzugsweise freitags abgehalten, und immer noch werden dabei die Flurdenkmäler, an denen gebetet wird, mit frischen Birkenblättern geschmückt.


Es liegen hier zwei interessante etymologische Ableitungen vor: Frigg – Freya – Frau und Brigha – Bright – Braut. Die Braut geht in Weiß, sie soll erinnert werden, dass sie eigentlich eine Göttin ist. Männer schon in heidnischer Zeit der Angebeteten grüne Birkenzweige vors Haus – der Maibaum ist eine geschälte und geschmückte Birke.


Bedeutende Göttinnen in ihrer lichten Gestalt, v.l.n.r.: Frigg, Schutzgöttin der Ehe, des Lebens und der Mutterschaft, Himmelskönigin und Hochgöttin der Asen. Sie ist Hüterin des Herdfeuers und des Haushaltes (Bild: "Frigga Spinning the Clouds" (Frigg spinnt die Wolken), Darstellung von John Charles Dollman (1851–1934), in: Myths of the Norsemen from the Eddas and Sagas. London: Harrap. S. 42), Frau Perchta (Bild: witchlike), Frau Holle von Karl Paetow (Bild: Titelblatt "Märchen und Sagen", Kassel; Basel 1952) und die keltische Birghid, die zu Maria Lichtmess (Imbolc) gefeiert wird.


Der Saft der Birke stärkt Nieren und Harnwege, entschlackt und reinigt das Blut, übernimmt also auch im Körper den Frühjahrsputz. Bei Schwitzhüttenritualen und nach Saunagängen peitscht man die Haut mit Birkenruten, die die reinigende Wirkung unterstützen sollen. Im Vorfrühjahr gezapftem Birkenwasser wird heilende und reinigende Wirkung zugesprochen.


Der Birkenreisbesen war noch in meiner Kindheit ein täglich verwendetes, selbst hergestelltes Werkzeug, mit dem der Stall ausgekehrt und die Grédn abgekehrt wurden. Die Grédn ist der Bereich unter dem Hausdach, der die Hauswand entlang geht, meist ein bis höchstens ein paar Meter breit ist und in dem man gerade nicht nass wird, wenn es regnet oder schneit. Obwohl die Grédn bereits im Freien ist, wird sie noch dem Wohnraum zugerechnet, auch im rechtlichen Sinn ("Dachtraufrecht"). Mein Großvater fertigte immer auch etwas kleinere Reisbesen für uns Kinder an, damit wir auch etwas zum Kehren und Spielen hatten. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass ich den Besen so gern und so oft zur Hand nehme?





Der Seelenzug der Frau Percht

In Oberösterreich und auch andernorts geht am 28. Dezember Frau Berhta (Frau Percht) mit einem Zuge kleiner Kinder um. Man glaubte, dass nicht nur unschuldige Kleinkinder, sondern alle verstorbenen ungetauften oder ermordeten Kinder im Schutz der Dunkelheit herumgehen würden, angeführt von der Seelenmutter Percht.


In vielen Regionen Bayerns und Österreichs stellten die Hausbewohner früher in der Nacht zum 28. Dezember eine Schüssel mit Suppe vor die Tür. Manche richteten auch den Tisch zu Hause sehr schön her. Dann mussten sie die Stube verlassen, da sonst die Frau Percht mit den Kindern nicht ins Haus kommen würde, sich zu laben. Als Seelenmutter zog sie mit den Kindern durch das Land, wobei sie ihre Schützlinge liebevoll unter ihren Mantel nahm.


Der Seelenzug der Frau Percht. Man glaubte, dass alle verstorbenen ungetauften oder ermordeten Kinder im Schutz der Dunkelheit — angeführt von der Seelenmutter Percht —herumgehen würden.
Der Seelenzug der Frau Percht. Man glaubte, dass alle verstorbenen ungetauften oder ermordeten Kinder im Schutz der Dunkelheit angeführt von der Seelenmutter Percht herumgehen würden.

An den Häusern, die sie passierten, wurde der Zug durch Wimmern und Klopfen bemerkbar. Die Seelenmutter Percht trat vor die Haustüre oder betrat sogar die Stube, um das vorbereitete Süppchen als Wegzehrung zu leeren. Doch wehe dem, der heimlich lauschte – die Percht war dieser Person nicht wohlgesinnt. Oft wurde solch eine Person mit dem Verlust des Augenlichts bestraft. Ein ganzes Jahr musste man warten, bis zum nächsten 28. Dezember, um sein Augenlicht zurückzuerlangen. Heutzutage erinnert auch die Kirche an alle verstorbenen Kinder, einschließlich der ungetauften, ermordeten und abgetriebenen Kinder. Dadurch wird deutlich, dass die Vorboten der Rauhnächte alle einen christlichen Hintergrund haben.


Der Zug der verstorbenen Seelen wurde zu einem zentralen Motiv in den alpinen Perchtensagen. Mit der Christianisierung wurden jedoch immer mehr Menschen getauft, und getaufte Christen wanderten bekanntlich nicht in die Anderswelt, sondern oft in die Hölle oder den Himmel. Dadurch beschränkte sich der Seelenzug der Percht zunehmend auf ungetauft verstorbene Kinder, die aufgrund fehlender dokumentierter christlicher Zugehörigkeit unter ihrer Obhut blieben.


Selbst diese Kinder konnten vereinzelt durch nachträgliche "Ersatztaufe" durch Namensgebung von Sterblichen aus dem Wanderzug in ein lichtes Land hinter den Nebeln, "befreit" und in den christlichen Himmel geschickt werden. Eine solche Sage wurde auch in Bad Mitterndorf überliefert und berichtet von der Erlösung eines unschuldigen Kindes. Laut Krauss von 1897 existierte auch in Tauplitz eine Perchten-Sage, doch der genaue Wortlaut ist nicht überliefert.


Ursprünglich soll die Percht eine der drei Saligen Frauen (siehe unten) gewesen sein, die für die dunklere Seite des menschlichen Daseins, einschließlich Tod, Winter und Kälte, zuständig war. Sie trat oft in Gestalt einer uralten Frau in ärmlichem Gewand mit einem Buckelkorb oder einem Karren auf. Hauptsächlich behütete sie die verstorbenen Seelen auf ihrer Reise von dieser Welt in die jenseitige Anderswelt.


Hier ein kurzer Beitrag zum "Frisch und g'sund"-Schlågn aus Kärnten (1968):




Die drei Saligen Frauen – Die ersten Hüterinnen der Alpen

In den Mythen und Sagen der Alpenregion nehmen die Saligen Frauen, auch als Salige Fräulein bekannt, eine zentrale Rolle ein. Diese mystischen Wesen, verwandt mit anderen europäischen Sagengestalten wie den irischen Feen („wee folk“) oder den slowenischen Salzene, werden oft als leuchtende, durchscheinende Frauen beschrieben. Ihre Erscheinung schwankt zwischen der einer strahlenden Fee, einer weisen Urfrau und einer Göttin der Natur.


Ursprung und Bedeutung

Die Saligen gelten als die ersten Bewohnerinnen der Alpen, die schon vor den Menschen in dieser Region lebten. Ihr unzivilisierter, ursprünglicher Lebensstil brachte ihnen auch den Namen „Wildfrauen“ ein – ein Hinweis auf ihre Freiheit und Unabhängigkeit von der menschlichen Gesellschaft.


Das Wort „salig“ zeigt eine bemerkenswerte sprachliche und kulturelle Verbindung über verschiedene Regionen hinweg, die uns auf eine tiefere Bedeutung und Verbreitung dieses Begriffs hinweist.


Salig: Ein Wort mit weitreichenden Bedeutungen

Im Norwegischen bedeutet „salig“ so viel wie „glückselig“, während es im Schwedischen und Dänischen die Bedeutung von „gesegnet“ trägt. Diese Begriffe spiegeln die besondere Ausstrahlung der Saligen Frauen wider, wie sie in den alpenländischen Mythen beschrieben werden. Sie erscheinen als strahlende, lichtvolle Wesen, die sowohl einen Segen als auch ein tiefes Gefühl der Glückseligkeit verkörpern können.


Leben und Wirken

Die Saligen werden meist als menschenscheu, aber hilfreich beschrieben. Sie leben verborgen in Wäldern, auf Bergen oder in Gletscherhöhlen, die in den Sagen oft als glitzernde Kristallpaläste dargestellt werden. Sie kommen jedoch immer wieder in die Nähe der Menschen, um ihnen beizustehen, insbesondere armen oder in Not geratenen Personen. Besonders bekannt sind Geschichten, in denen sie:

  • Brot backen und Korn schneiden, das sie Bedürftigen schenken.

  • Landwirtschaftliche Arbeiten unterstützen, z. B. beim Heuen.

  • Wissen über die Natur und deren Heilkräfte weitergeben, wie die Verarbeitung von Kräutern, Milch oder Getreide.

Die Saligen sind großzügig mit ihren Gaben, erwarten jedoch keinen Dank und lehnen jegliche Bezahlung strikt ab. Wer ihre Geschenke achtet, wird mit Glück und Wohlstand belohnt.


„Die Salige Fräulein. Originalzeichnung von Mathias Schmid.“
Die Salige Fräulein. Originalzeichnung von Mathias Schmid.

Beziehung zu den Menschen

Salige Frauen stehen sinnbildlich für eine matriarchale Ordnung, in der Frauen unabhängig und frei entscheiden. Sie leben in Gemeinschaften und wählen sich manchmal gezielt Männer für kurze Begegnungen oder um Nachkommen zu zeugen. Bedingungen für eine Beziehung sind jedoch streng: Der Mann darf niemals ihren Namen erfragen, sie beschimpfen oder gar schlagen. Sobald eine dieser Regeln verletzt wird, verschwinden die Saligen für immer.


Wächterinnen der Natur

Die Saligen gelten als Hüterinnen der Natur. Sie beschützen das Wild, besonders Gämsen, und bestrafen Jäger, die mehr Tiere töten, als sie brauchen. Ebenso verabscheuen sie den Raubbau an der Natur und warnen vor Gefahren, wenn Menschen die Naturgesetze missachten. In manchen Sagen bringen sie, zornig über Umweltzerstörung, Naturkatastrophen wie Lawinen oder Muren herbei.


Mythologische Bedeutung

Die Saligen verkörpern eine Verbindung zwischen der Menschenwelt und der „Anderswelt“. Diese Anderswelt wird mal als spirituelles Reich, mal als Zufluchtsort alter Stämme dargestellt, die sich nicht mit den neuen Bewohnern der Alpen mischen wollten. Ihre Rolle als Retterinnen der Natur, als Lehrmeisterinnen und als Symbol für weibliche Unabhängigkeit macht sie zu einer zentralen Figur in der Sagenwelt der Alpen.


Verbreitung der Sagen

Die Saligen Frauen sind vor allem in den Sagen Tirols, Südtirols und des Voralpenlandes präsent. Bekannte Orte ihrer Legenden sind:

  • Die Frauenhöhle am Ötscher in Niederösterreich.

  • Wyssy Frau und Wildi Frau – Bergspitzen oberhalb der Blümlisalp in der Schweiz.

  • Die Wildfrauen-Höhle („jama donja baba“) in Slowenien, eine Kultstätte mit einer 40.000 Jahre alten Knochenflöte.

Ihre Geschichten reichen von landwirtschaftlicher Hilfe bis hin zur Einführung neuer Nutzpflanzen wie dem Buchweizen im Vinschgau.


Umgang mit den Saligen Frauen

Die Begegnung mit einer Saligen erfordert Respekt und das Einhalten bestimmter Verhaltensweisen, um ihren Segen zu erhalten oder Ärger zu vermeiden:

  • Gastfreundschaft zeigen: Besucht eine Salige ein Haus, sollte man ihr weiße Speisen und Getränke anbieten, da dies in den Sagen als Zeichen der Hochachtung gilt und Wohlwollen hervorruft.

  • Vorsicht bei Vollmond: Es wird davor gewarnt, ihnen in Vollmondnächten zu begegnen. In solchen Nächten sollen sie besonders aktiv sein, weshalb Männer angewiesen wurden, viel Lärm zu machen, um die Saligen zu vertreiben. Dieser Rat scheint jedoch auf einem alten Aberglauben zu beruhen. Eine mögliche Erklärung ist, dass Frauen, die heimlich mit den Saligen auf deren verborgenen Festplätzen feierten, so die Anwesenheit neugieriger Männer verhindern wollten.

  • Respekt bewahren: Man sollte die Saligen niemals verärgern, ihnen gegenüber unhöflich sein oder ihre Regeln missachten, da sie in solchen Fällen durchaus unberechenbar handeln können.


Literarische Erwähnungen

Die mystischen Saligen fanden nicht nur in den Volkssagen, sondern auch in der Literatur Beachtung. Im Roman „Die Geierwally“ von Wilhelmine von Hillern beschreibt die Autorin sie als geheimnisvolle Wesen, die durch „weite und endlose Gänge von Eis hindurch“ in große Hallen schreiten. Dort, in schimmernden Nebelschleiern gehüllt, spielen sie mit Gemsen und zeigen eine enge Verbundenheit zur Natur.


Andere Namen der Saligen

Die Saligen Frauen sind auch unter zahlreichen anderen Bezeichnungen bekannt, darunter Salige Fräulein, Salkweiber, Salaweiber, Salinghe, Wilde oder Weiße Frauen, Waldfrauen, Bergfrauen, Wildfrauen und Antrische Dirn. Diese Vielfalt an Namen spiegelt die reichhaltige Überlieferung und die unterschiedlichen Interpretationen ihrer Gestalt und ihres Wesens wider.



Kindersegnung und Entsendung der Sternsinger 2022





Weitere Quellen


Leskoschek, Franz (1946): Frisch und gsund! Ein alpenländischer Brauch zur Jahreswende. Blätter für Heimatkunde 20.

Rosegger, Peter (1870): Sittenbilder aus dem steirischen Oberlande. 2. Aufl., Graz, S. 172 ff.

Schmidt, Leopold (1966): Das Frisch- und Gesund-Schlagen im Burgenland. In: Wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 35, S. 522–564.

Sagenhaftes Hinterbergertal, Sagen und Legenden aus Bad Mitterndorf, Pichl-Kainisch und Tauplitz vom Ende der Eiszeit bis zum Eisenbahnbau, Matthias Neitsch. Erarbeitet im Rahmen des Leader+ Projektes „KultiNat“ 2005 – 2007.


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