Der Donnerstag vor dem Faschingsdienstag wird in der nördlichen Oststeiermark "Foastpfingsta" genannt und leitet die "Foastwoche" ein, in der sehr reichhaltig ("foast") gegessen wird. Zu dieser Zeit gibt es ein besonders heißbegehrtes Objekt – den Schauschädel, nach dem hinterlistige Diebe trachten! Außerdem stehen Faschingsbräuche, wie das Burschnern und Gmoahalten, sowie Tanzveranstaltungen, etwa der Sauschädeltanz, am Programm!
Der Fasching war im Bäuerlichen immer mit gutem und üppigem Essen verbunden, weil man durch die Schlachtungen tierische Produkte zur Verfügung hatte, die in der folgenden Fastenzeit nicht genossen werden durften. Besonders am „Foastpfingsta“, dem Donnerstag vor dem Faschingssonntag, wurden Schmalzgebäcke, Fleischkrapfen, Braten und andere Köstlichkeiten aufgetischt. Hauptsache "foast"!
Foastpfingsta – was heißt das eigentlich?
Der "Foastpfingsta" ist ein kleiner Feiertag. Zu Mittag gibt es traditionell Schweinsbraten mit Knödel und Sauerkraut, und am Nachmittag kommen gern Nachbarn oder Verwandte zu Besuch, meist zum Kartenspielen. Natürlich werden auch Krapfen in großen Mengen genossen. Die Jugend verlässt die Gesellschaft oft frühzeitig, um am "Sauschädeltanz" teilzunehmen.
Fett und üppig muss heute gegessen werden. Am Bild links ein Bauernschmaus mit Sauerkraut und Semmelknödel (Bild und Rezept: Servus.com)
Im steirischen und auch bairischen Dialekt wird der Donnerstag gern 'Pfingsta' (oder ähnlich) genannt, genauso wie der Dienstag oft noch als 'Irta' (Ertag) bekannt ist.
Das Wort 'foast' bedeutet feist, dick, fett.
Indogermanisch: *pei̯ə-, *pei-, *pī̆- idgV. bedeutet fett sein (V.), strotzen.
Davon kommt Germanisch: faita-, *faitaz, Adj., fett, feist
Weiters:
an. feitr, Adj., feist, fett;
ahd. feizit 29?, Adj., feist, fett, dick;
mhd. veizet, veizt, Adj., fruchtbar, reich, dicht;
nhd. feist, Adj., feist, fett, dick, DW 3, 1467 (feißt);
s. germ. *faitjan, sw. V., mästen;
an. feita, sw. V. (1), fett machen;
nhd. (ält.) feißten, sw. V., fett machen, nach Fett riechen;
In 'feist' steckt also auch die Bedeutung von fruchtbar.
Das Wort 'Foastpfingsta' bedeutet also Fetter Donnerstag.
Das Lehnwort Pfingsta ( = Pfingstag, Pfinsta) gelangte über gotische Vermittlung ins Bairische und damit ins Steirische. Der Wochenname 'Pfingsta' (mhd. phintztac) bedeutet der 5. Tag, gerechnet ab dem Sonntag.
Auch die Variante "Irta" ( = Ertag) für „Dienstag“ kommt vermutlich von den Goten. Er kommt im Althochdeutschen ariōtag, eriōtag und dem Gotischen *arjausdags vor und ist wahrscheinlich eine ostgermanische Entlehnung aus dem Griechischen Áreōs hēméra (Ἄρεως ἡμέρα) und bedeutet "Tag des Ares". Ares ist der griechische Kriegsgott, und seine germanische Entsprechung ist Tyr. Tyr ist außerdem der Wahrer des Rechts und Schützer der Thingversammlung, was wiederum den Dienstag als Thing- und Gerichtstag unterstreicht.
Im Althochdeutschen bezieht sich der Begriff "ērtag" oder "ēratag" auf einen "Ehrentag", Gedenktag oder Festtag. Er wurde auch schon in der Bedeutung des Dienstags verwendet.
Im Mittelhochdeutschen wird der Begriff "ēretac" als "Ehrentag" oder "Hochzeitstag" verstanden, ebenso wie die Varianten "ergetac", "ertac", "eritac" und "erihtac", die den Dienstag bezeichnen.
Die Wurzel *ario- wird im Indogermanischen aber auch als Substantiv verwendet und bedeutet "Herr" oder "Gebieter". Sie findet sich in verschiedenen indogermanischen Sprachen wie dem Indischen, Iranischen, Keltischen und Germanischen. Das Wort "erio" wird im Althochdeutschen als Substantiv verwendet und bezieht sich auf einen Pflüger. Diese Bedeutung findet sich im großen Reichenauer Bibel-Glossar, das Ende des 8. Jahrhunderts entstand. Somit ist die Herleitung unsicher und nicht restlos geklärt.
Der 'Foastpfingsta' entspricht dem im schwäbisch-alemannischen Bereich üblichen Schmotzigen oder Fettigen Donnerstag. Mit dem Schmotzigen Donnerstag beginnt in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht die eigentliche Fastnachtszeit. "Schmotzig" oder "schmutzig" bedeutet in den alemannischen Dialekten "fettig" oder "feiß", wobei "Schmotz" oder "Schmutz" für "Fett" steht. Der Name geht darauf zurück, dass an diesem Tag gerne Fettgebackenes wie Fasnetsküechle, Fasnachtskiechli (Hefegebäck) oder Krapfen gegessen wird. Der Donnerstag war außerdem der letzte Tag, an dem vor den Feierlichkeiten der Fastnacht und vor der Fastenzeit geschlachtet und gebacken wurde, wodurch große Mengen Fleisch verzehrt werden konnten. In der liturgischen Abfolge der Woche galt der Donnerstag als der allgemeine Schlacht- und Backtag.
Auch in Polen gibt es den Fettendonnerstag, ein Brauch, der auf den letzten Donnerstag vor der Fastenzeit fällt. Dieser Tag, auch als Zapusty bekannt, erlaubt traditionell einen ausgelassenen Genuss. Zu den beliebtesten Speisen gehören Berliner (Pączki) und Faworki.
Wo und wie wird der Foastpfingsta gehalten?
Es ist dokumentiert, dass der Foastpfingsta weiterhin in der Nordoststeiermark, insbesondere im Joglland und den umliegenden Regionen, gefeiert wird. Beispiele dafür sind Veranstaltungen in Rohrbach an der Lafnitz, Friedberg, Pinggau, St. Lorenzen am Wechsel, Mönichwald, Vorau, Wenigzell, Miesenbach, Birkfeld, Waisenegg, Fischbach, St. Kathrein am Offenegg, Gasen, Ratten, Krieglach, Passail, Pöllau, Rabenwald, Saifen-Boden, Schönegg und Sonnhofen, wo nach wie vor Sauschädeltänze mit Festmählern stattfinden. Anstelle des Sauschädels werden an einigen Orten auch Schweinsripperl und Brüstl serviert. Daher wird an manchen Orten auch zum Ripperlbeißen am Foastpfingsta eingeladen, vermutlich wenn kein Sauschädel gestohlen wurde, da Hausschlachtungen immer seltener werden.
Auch in Feldbach und in Bad Tatzmannsdorf im Burgenland wird dieser Brauch heute noch praktiziert, ebenso wie in anderen Orten des niederösterreichisch-steirisch-burgenländischen Grenzgebiets.
Die Regionen, in denen das Blochziehen üblich ist, und die des Einzugsgebiets der Budlmutter und der Luz fallen größtenteils mit den Gebieten zusammen, in denen auch der Sauschädelbrauch und der Foastpfingsta weiterhin gepflegt werden.
Bräuche rund um den Sauschädel
Es mag sein, dass für Außenstehende der Brauch des Sauschädelstehlens etwas derb und erscheint und das Schmücken desselben noch mehr. Doch als Hofschlachtungen in allen Teilen Europas noch üblich waren — und das ist noch gar nicht so lange her — verbanden sich damit verschiedene Bräuche und dies in mehreren Teilen Österreichs (siehe Karte unten).
Während in der Nordoststeiermark das Sauschädelstehlen zumeist in der Faschingszeit Brauch ist, wird aus dem Raum Schladming darüber berichtet, dass er in der Vorweihnachtszeit ausgeübt wurde. Nach dem Schlachten des Schweines wurde der Körper des Tieres gespalten, der Kopf jedoch ganz gelassen. Zum Aushängen kamen die Teile ins Vorhaus des Hofes. Trotz nächtlichen Versperrens der Haustür und der Schlachtkammertür wurden Wege gesucht und auch immer wieder gefunden, diesen Saukopf doch zu stehlen.
Auf dem Hof oder in dem Haus, wo der Sauschädel" hingestohlen" wurde, fand kurze Zeit später ein Essen statt, bei dem dieser nur gekochte Sauschädel nach dem Verlesen eines spöttischen Gedichtes gemeinsam verspeist wurde. Der Bestohlene musste als Strafe noch dazu eine Auslöse in Form von Getränken bezahlen und hatte zum Schaden auch noch den Spott zu tragen.
Auch in den Seitentälern des Mürztals und in abgelegenen Dörfern kommt es vermehrt zu traditionellen "Fällen" von Sauschädeldiebstählen. In diesen ursprünglichen Gemeinden beobachten Diebe oft die Metzger, wenn sie im Winter von Hof zu Hof gehen, um ihren Aufgaben nachzukommen. Sobald der Sauschädel abgetrennt und in den kühlen Schnee gelegt wird, schlagen die Diebe zu. Innerhalb von Sekunden wird die Beute in einen Sack gesteckt, und die Diebe ergreifen rasch die Flucht. Ähnlich wie an anderen Orten gibt es auch hier eine anschließende Verhandlung, gefolgt von einem Festmahl mit dem gestohlenen Sauschädel.
Das "Sauschädelstehlen" in der Oststeiermark ist ein Streich, den man sich in der Nachbarschaft gerne spielt. Dem Brauch nach gilt es, heimlich den begehrten Sauschädel zu stehlen. Wenn es gelingt, nach der Hausschlachtung den Schweinskopf unbeobachtet zu entwenden, wird dieser geschmückt und von der verkleideten Dorfjugend von Haus zu Haus getragen, oder die Diebe werden vorher ausgeforscht und gestellt. Jedenfalls kommt es zu einer Gerichtsverhandlung beim Dorfwirt. Dazu wird ein Richter ernannt, Geschworene und Zeugen geladen – allesamt gespielt von den Dorfleuten. Der geschmückte Sauschädel wird dann dem Gericht als Corpus delicti präsentiert. Ein Polizist überwacht den ordnungsgemäßen Ablauf, eine Sekretärin protokolliert...
Diese Bilder stammen von Gerichtsverhandlung nach dem Sauschädelstehlen in Waisenegg. (Bilder: meinbezirk.at)
Bei der Verhandlung geht es hart zu, sehr hohe Getränkestrafen sind fällig, auch für Zwischenrufe aus dem Publikum. Keiner kann sich der gerechten Strafe entziehen, die zumeist in einem handfesten Rausch endet. Verurteilt werden meist alle, sowohl die Langfinger wegen Diebstahls als auch der Bauer wegen mangelhafter Beaufsichtigung des Sauschädls, der Schlachter und sämtliche Mitwisser. Auf jeden Fall wird auch zum Bezahlen der Konsumation der Musikanten verurteilt.
Anschließend wird zum Sauschädlschmaus geladen, und mit dem anschließenden gemütlichen Teil – dem Sauschädltanz – klingt das Fest aus.
Links: Sauschädeltanz im Burgenland; Mitte: Maskenball in Apfelberg. Rechts: Können diese Augen lügen?
Ursprung des Brauchs
Der Ursprung liegt darin, dass die kalten Wintermonate bis hinein in die Faschingszeit die Zeit der Hausschlachtungen von Schweinen und deren Aufarbeitung war. Nach alter Tradition finden neben der Vorweihnachtszeit besonders in der Faschingszeit die Hausschlachtungen von Schweinen statt. Wie man weiß, eignen sich die kalten Wintermonate ja bestens für die Verwahrung und Aufarbeitung von Fleisch.
Der Metzger achtet besonders in dieser Jahreszeit darauf, dass der Sauschädl im Ganzen abgetrennt wird. Dieser sollte eigentlich zur Herstellung der berühmten "Sauschädlwurst“ dienen.
Im gesamten deutschen Sprachraum verbanden sich besondere Sitten und Bräuchen mit dem Schlachttag. Die Hausschlachtung ist so alt wie die Haustierhaltung. Laut Hans Falkenberg, der 1980 eine Untersuchung zu dem Brauch machte, führen uns die Schlachtbräuche zu Verhalten aus der Frühzeit der menschlichen Kultur zurück. Bestandteile des Sauschädelbrauchs könnten ihm nach Opferbräuche, Sühnevorstellungen gegenüber dem geschlachteten Tier, abergläubische Abwehrhandlungen und Heischebräuche sein. Es ist selbstverständlich, dass Nachbarn, Dorfkinder, Arme und Hirten auch etwas bekommen, wenn der Nachbar ein Schwein schlachtet, und auch Freunde und Verwandte nehmen am Schlachtfest teil.
Das zeigt, wie tief das Stehlrecht im bäuerlichen Leben verankert ist. Stehlbräuche sind also in Österreich fester Bestandteil des bäuerlichen Lebens. Im Österreichischen Volkskundeatlas (1968) gibt es eine Bestandsaufnahme, was alles vom Schwein gestohlen wird: Sauschädel, Schweinsleber, Schweinsniere, Schweinsrippen, Schweineschwanz.
Die nachfolgende Karte aus dem Volkskundeatlas zeigt die Verbreitung von Stehlbrauchtum beim winterlichen Schweineschlachten in Österreich:
Dabei liegen die Schwerpunkte eindeutig in Oberösterreich, Teilen Kärntens und in der Steiermark. Im Westen Österreich finden sich dazu kaum Einträge.
Alter des Brauchs*
Gemäß einer alten Erhebung, wie von Falkenstein beschrieben, konnten sich ältere Personen bis zum Jahr 1870 an diesen Brauch erinnern. Interessanterweise war der Brauch zur Zeit der Erhebung in angrenzenden Gebieten Deutschlands völlig unbekannt. Es wird angenommen, dass sich der Brauch von den östlichen Bundesländern in die westlichen verbreitete, jedoch nicht plötzlich, sondern über einen Zeitraum von mindestens 100 Jahren. Damals gab es kaum Medien, die zur Verbreitung des Brauchs beitrugen; vielmehr waren Lehrer, Pfarrer und Bürgermeister die Hauptübermittler von Nachrichten und Wissen, und es ist unwahrscheinlich, dass sie sich für die Verbreitung dieses Brauchs eingesetzt haben.
Daraus ergibt sich, dass der Brauch wahrscheinlich seit mindestens 300 Jahren existiert. Obwohl keine weiteren Schlüsse gezogen werden können, lenkt Leopold Schmidt in seiner "Volkskunde von Niederösterreich" den Blick auf das Schwein als Hauptprotagonisten. Tierkulte und Fruchtbarkeitszauber waren bereits in der Eiszeit bekannt. Schmidt sucht eine Verbindung dieses Brauchs zum germanischen Juleber, der mit dem Fruchtbarkeitsgott Freyr in Verbindung steht. In der vorchristlichen Zeit waren Tieropfer üblich, und das Opfermahl wurde gemeinschaftlich eingenommen. Das Schwein galt als hochgeschätztes Tier und war ein Symbol für Angriffslust und Tapferkeit.
Ob der Brauch des Sauschädelstehlens noch mit germanischen Tieropfer- und Fruchtbarkeitsriten zusammenhängt, bleibt aus eiszeitlichen Quellen spekulativ. Dennoch erkennt Falkenberg einige ähnliche Merkmale bei diesen germanischen Ritualen. Das Schwein galt als Symbol für Glück und Schwein haben bedeutet immer noch "Glück haben"!
Beginnende Verhandlung in der Vulcano Schinkenmanufaktur: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst!
Fleisch- und Specksammeln
Auch bei diesem Brauch geht es um Schweinefleisch, insbesondere Speck, den fetten Anteil. Mancherorts kennt man in Graz-Umgebung, Weiz, Joglland, Fürstenfeld und im Burgenland noch den Brauch des "Fleisch- oder Specksammelns".
Die Specksammler in Fischbach beim Froihof. (Bild: FB Froihof)
Bei diesem Nachbarschaftsbrauch ziehen lustige Verkleidete von Haus zu Haus, singen, musizieren, tanzen und sammeln Speck, Eier usw. Diese werden dann am Faschingsdienstag gemeinsam verzehrt. Die Sammler werden gern eingelassen und von jedem besuchten Haus wird erwartet, dass sich zumindest eine Person dem verkleideten Zug anschließt, um die Tradition zu wahren. Es ist eine Gelegenheit, Gemeinschaft zu erleben und die Nachbarschaft zu stärken. Dabei wird gegessen, getrunken und getanzt. Am Ende wird dem Gastgeber ein Zeugnis ausgestellt und weiters geht's...
Hier sind die Specksammler in Fischbach unterwegs, unter dem Motto "Schüler von anno dazumal, mit strenger Frau Lehrerin". (Bilder: meinbezirk.at)
Am Faschingsdienstag wird im Gasthof dann das gesammelte Fleisch von der Wirtin ausgekocht und aufgeschnitten. Die Specksammler laden die Bauern und Bäuerinnen, von denen sie die köstlichen Produkte erhalten haben, ein, um gemeinsam zu essen, zu lachen, zu tanzen und den Fasching ausklingen zu lassen.
Früher verkleideten sich Mägde und Knechte am Foastpfingsta, zogen mit einem Musikanten von Hof zu Hof und wurden von den Bauern und Bäuerinnen mit deftiger Jause versorgt. Ein Hof wurde ausgewählt, wo sie die ganze Nacht "ihren" Fasching feiern konnten, ohne dafür bezahlen zu müssen. Auf diese Weise konnten sie einmal im Jahr ausgelassen feiern, tanzen und ihre Alltagssorgen vergessen.
Auch in Storzingen im Landkreis Sigmaringen, Baden-Württemberg, sind auch am Rosenmontag Eier- und Specksammler unterwegs, die von Haus zu Haus ziehen, um Eier und Speck zu erbitten. Dieser Brauch des "Heischens" hat eine lange Tradition in der Region, wie Einheimische berichten. Die Ursprünge des Brauchs des Eier- und Speckessens sind jedoch nicht genau bekannt.
Fasching in Storzingen (Foto: Susanne Grimm /Schwäbische.de)
Die Ähnlichkeiten dieses Brauchen in Schwaben und in der Oststeiermark sind überraschend: Auch hier werden die Speck- und Eiersammler von den meisten Einwohnern gerne gesehen und überall gibt es zu essen und zu trinken, man hält ein Schwätzchen und zieht irgendwann weiter zum nächsten Haus. Der Zug der Sammler wird mit der Zeit immer länger, da sich mit dem Fortschreiten der Aktion immer mehr närrische Menschen aus den Häusern gesellen. Dadurch vergrößert sich der Umzug ständig, und da sich von jedem besuchten Haus ein paar Narren anschließen, erstreckt sich die Sammelaktion zwangsläufig bis in den Abend hinein.
Burschnern
In dieser Woche gibt es in der Oststeiermark, z.B. in Eichberg, ab dem Foastpfingsta auch das sog. "Burschen gehen" oder Burschnern. Verkleidete bzw. maskierte Burschen und Männer gehen dabei mit Musik von Haus zu Haus, und manchmal ist auch immer ein verkleidetes Brautpaar dabei. Natürlich gibt es dabei reichlich zu trinken, früher oft Most oder Schnaps. Bei den Häusern halten die Burschner meist ein Stück Selchfleisch, Eier oder auch anderes, das dann am Abend beim "Burschtanz" in einem Gasthaus gekocht und verspeist wird. Dort sind dann auch die Mädchen und Frauen dabei, und es spielt Tanzmusik, zu der fleißig und ausgiebig getanzt wird.
Früher wurde dieser Brauch unter anderem auch aus der Not heraus gepflegt. Heute wird damit Geld für wohltätige Zwecke, wie für die Anschaffung von Pfegebetten (etwa in Grafendorf-Stambach, wo rund 5.000 Euro erlöst werden konnten), gesammelt und hat damit Benefizcharakter.
Gmoahalten
In Friedberg in der nördlichen Oststeiermark und den umliegenden Gemeinden, etwa Schwaighof, Ehrenschachen und Baumgarten, gibt es wie in den Jahren zuvor am Foastpfingsta das "Gmoahalten", das heißt, die (Faschings-)Gemeinde pflegt mit den Ortsmännern eine einmal jährlich stattfindende Zusammenkunft. Es handelt sich heute dabei um eine Faschingsveranstaltung ähnlich einem Gschnas, bei der in spaßiger Form ein Richter bestellt wird.
Dem Gmoahalten ging am Dienstag davor das sog. "Richtersetzen" voraus, das bereits im Jahr 1884 von Theodor Vernaleken (1812-1907) beschrieben und analysiert wurde und damals noch eine wirklich rechtlichen Charakter hatte. Die Schilderung liest sich wie folgt:
Theodor Vernerlaken
Ueber das Richtersetzen. Von Th. Vernaleken. Nach einer Mittheilung des Lehrers Ostermayer in Baumgarten, Bezirk Friedberg im nördlichen Steiermark, findet sich dort eine alte Volkssitte, das sogenannte Richtersetzen. Da Baumgarten keine eigene Ortsgemeinde sondern nur eine vom Sitze des Gemeinde- und Bezirksamtes entfernte Steuergemeinde ist, und an einer abgelegenen Berghalde (südlich vom Wechselgebirge) ohne fahrbare Strasse liegt, so wird hier alljährlich am Dienstage vor dem Fasching-Sonntage der "Richter gesetzt". Die einzelnen Bauern wechseln in der Richterwürde ab. Die Amtstätigkeit des Richters ist eine beschränkte. Er muss die Pachtzinse für die den Bauern gemeinschaftlich angehörigen Hutweiden und Wälder einziehen und von dem Erlöse die betreffenden Steuern zahlen. Auch sammelt er die Steuerbücher der Besitzer sammt dem betreffenden Gelde und bezahlt insgesammt die Steuern. Bei kleinen Streitigkeiten gilt der Spruch dieses Richters. Er· ruft die Gemeinde (dö G'moan) zusammen, die Besitzer, wenn es sich um die Herstellung eines schadhaften Weges oder um die Ausbesserung der Brunnenleitung des Dorfes handelt. Der Tag des "Richtersetzens" ist gar ein feierlicher. Im Hause des alten Richters wird alsdann den ganzen Tag fleissig gekocht, gesotten, gebraten. Um 2 Uhr Nachmittags versammeln sich die Besitzer und die Pächter der "Gmoangründ", rechnen ab mit dem „alten" Richter, und dann beginnt das Essen, bestehend aus Suppe, Sauerkraut und Schweinefleisch. So bald diess aufgetragen, kommt der alte Richter, der bis jetzt draussen gewartet, in die Stube; er trägt in einer Hand einen Teller, auf welchem sein schönstes Glas steht, mit Blumen geschmückt, darinnen ein Rosmarinzweig in frischem Wasser. In der andern Hand trägt er den Besitzbogen der "G'moangründ", die Pachtverträge und Steuerbücher. So steht er da, gravitätisch und würdevoll vor dem Tische, und hält dem "neuen" Richter, der am Ehrenplatze in der Ecke unter den bunten Heiligenbildern sitzt, eine Anrede, ermahnt ihn zur Gerechtigkeit und Redlichkeit, worauf er ihm den Teller sammt Glas und Inhalt und die Rechtspapiere übergibt. Während dieses Aktes stehen alle auf, und nach der Ceremonie wird die Mahlzeit fortgesetzt. Noch ist zu erwähnen, dass, sobald die Speisen aufgetragen sind, von Dorfjungen, welche diesen Augenblick sehnsüchtig erwarten, mit einem grossen tannenem Stocke zuerst an die Hausthür des alten Richters dreimal "angepumst" wird, dann ebenso oft an der Hausthür jedes andern Besitzers, zuletzt an der Hausthür des neuen Richters. Bei diesem aber wird der Stock zum Hausthore hinein geworfen, wo er aufgehoben und aufbewahrt wird bis zum nächsten Jahre. Der Stock ist etwa 3 Meter lang und hat an jeder Seite 6 Handhaben (Sprossen), so dass also 12 Buben erforderlich sind welche den Stock an die Thüren stossen.
Rosmarin blüht bei uns üblicherweise von Mitte März bis Ende Mai. Das bedeutet, dass der Strauss einer gewissen Vorbereitungszeit für die Blüte bedurfte. Der Rosmarin steht für Fruchtbarkeit, Freundschaft, Loyalität, Hingabe, Erinnerung und Liebe.
In "Die nordöstliche Steiermark: Eine Wanderung durch vergessene Lande" (1888) beschrieb Ferdinand Kraus über das Richtersetzen in leicht modifizierte Weise, dass das Richtersetzen um 1 Uhr mittags begann und alle Bauern und Häusler daran teilnahmen. Der abtretende Richter erhielt dabei die "Abrechnung" für das vergangene Jahr. Der Richter hatte die Befugnis, Widerspenstige ins "Strafjoch" zu sperren, "heute wohl nur mehr scherzweise", wie er anmerkt. Bei der Übergabe an den neuen Richter hebt der alte hervor, dass er ihm die Pflichten des Richters ohne Gunst und Haß unparteiisch zu richten ans Herz legt. Zuletzt überreicht er ihm den blühenden Strauss Rosmarin.
Den Stock, mit dem die Burschen anklopfen, bezeichnet er explizit als Richterstock. Dieser Stock vererbt sich als Attribut der richterlichen Würde von Richter zu Richter. Der Stock ist in Krauss' Beschreibung aus Fichtenholz, 3 Meter lang und hat 6 Löcher, in die Querhölzer eingesetzt wurde, so dass 12 Burschen ihn tragen.
Friedberg war bis 1976 ein eigener Gerichtsbezirk. Die Stadt Friedberg, früher bekannt als Friburg und Friberg, entstand unterhalb einer seit etwa 1170 bestehenden Wehrburg, die zum Schutz der Wechsel Straße errichtet wurde. Die Burg wurde 1194 aus Teilen des Lösegeldes für den englischen König Richard I. Löwenherz erbaut.
Aber nicht nur in größeren Orten mit Gerichtsbarkeit, auch in kleineren Orten wurden Dorfvorsteher bzw. -richter bestellt. So waren Dorfrichter früher etwa nachweisbar in einem geschlossenen breiten Streifen in der östlichsten Oststeiermark von Schäffern bis Halbenrain sowie im Gebiet von Birkfeld-Pöllau-Vorau-St. Kathrein am Hauenstein eingesetzt.
Das Richtersetzen, von Gabriel Hackl, unter Illustration aus dem Kronprinzenwerk, Band 7 (deutsch), Seite 169.
Nach Vernaleken handelt sich bei dem Richtersetzen um Überreste einer altdeutschen Gerichtsbarkeit, die sich nur in einer abgelegenen Gegend so lange erhalten haben konnten, jedoch in veränderter Form. In der Beschreibung wird vom Pachtzins und der Übergabe eines Stockes gesprochen, Hinweise, über die uns Grimm in den Rechtsalterthümen Näheres berichtete. Unter den verschiedenen Gerichtsarten finden sich das Zinsgericht zur Entrichtung der jährlichen Abgaben, das Rügegericht zur Erledigung der Feld- und Waldfrevel, ein Wassergericht etc.
Der Richter von Baumgarten beaufsichtigte auch die Wege und die Brunnenleitung. Als Tag des Richtersetzens gilt der Dienstag vor dem Faschingssonntag. In alter Zeit wurde diese gerichtliche Praxis in Form sog. Taidings abgehalten und bei den germanischen und fränkischen Stämmen im frühen Mittelalter weit verbreitet. Der Dienstag war der übliche Tag des Gericht- bzw. Dinghaltens. Es war eine Versammlung, bei der freie Männer und Adelige zusammenkamen, um über rechtliche Angelegenheiten zu beraten und Rechtsurteile zu fällen. Auch bei Hartberg gab es ein Taiding, das an einem historischen Gerichtsort außerhalb einer Stadt abgehalten wurde. Die Pflicht zur Teilnahme an den Taidings wurde von den Grafen wahrgenommen und fand ein- bis zweimal während öffentlicher Gerichtsverhandlungen statt. Diese Praktiken entsprachen der germanischen Rechtstradition und ähnelt dem nordischen Thing.
Fast alle Dorfordnungen enthielten Regelungen über die Gemeindeorganisation, wie zum Beispiel Dorfhauptmann, Dorfvierer, Gmain und Nachbarschaft, sowie über die Bewirtschaftung der Flur etc. Zusätzlich enthielten viele Ordnungen detaillierte Vorschriften zu verschiedenen Themen wie religiöse Praktiken und Kleiderordnungen. Da die meisten Untertanen nicht lesen konnten, wurde ein- oder zweimal im Jahr eine Versammlung (Ding) abgehalten, bei der die Regeln verlesen wurden. Die Anwesenheit aller Untertanen war verpflichtend, und Nichterscheinen wurde bestraft.
Alle Abgaben mussten bei Sonnenschein entrichtet werden, besonders im Zinsgericht. Laut Vernaleken fand früher das Gericht in Norwegen dienstags und bei Sonnenschein statt.
Im Brauch von Baumgarten spielt der Stock der Dorfbuben eine Rolle. Der richterliche Stab dient im Allgemeinen als Zeichen der Güterabtretung. Weiters galt der Stab, insbesondere der Stabwurf, als Symbol der Lossagung und die Aufnahme des Stabs als Aufnahme der Verpflichtung. Diese Symbolik der Lossagung konnte verstärkt werden durch ein Zerbrechen des Stabes wie bei der "Entsippung". Entsprechend gab es vom Frühmittelalter weg einen sog. "Thingstab".
Das dreimalige Anklopfen hat ebenfalls eine lange Tradition, und die heilige Dreizahl ist in verschiedenen Kontexten häufig anzutreffen: drei Schläge, drei Rufe, drei Fragen etc.
Im Landesgerichtsrechts von Friedberg aus dem 16. Jahrhundert kommt u.a. das dreimalige Rufen vor.
Inwieweit sich in dem Brauch des Gmoahaltens diese Rechtsgepflogenheit aus dem Frühmittelalter erhalten hat, ist schwer zu sagen. Jedenfalls deutet vieles auf einen Zusammenhang zwischen der alten rechtlichen Praxis und dem Brauch hin, der sich im Laufe der Zeit von einer juristischen Institution zum Faschingsspiel entwickelt haben könnte. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass der Faschingsbrauch des Sauschädelstehlens ebenfalls vor Gericht endet.
Gmoahozat (Gemeindehochzeit)
In der angrenzenden Gemeinde Pinkafeld, welche bereits im Burgenland liegt, wurde früher von den Burschen am Faschingsmontag eine "Gmoahozat" (Gemeindehochzeit) abgehalten. Sie waren als Braut, Gegenbraut und Kränzlerinnen verkleidet. Die Brautführer, mit bunten Bändern geschmückt und polierten Stöcken, zogen teils maskiert, teils mit roter und schwarzer Farbe im Gesicht, als ein geordneter Hochzeitszug mit Musik in den überfüllten Tanzraum ein. Der Brautführer begann mit dem üblichen Hervorrufen des althergebrachten Brautführerspruches, wie es bei Bauernhochzeiten üblich war, jedoch in humorvoller Formulierung. Am Ende rief er „Vivat“, und die Musik spielte einen „Tusch“. Danach stieg ein als Pfarrer verkleideter Bursche auf einen Stuhl (mit einem Luthermantel und einem schwarzen, umgedrehten Hut) und hielt eine Ansprache an das Brautpaar.
Faschings-Brautpaar © Faschingsverein Waging e.V.
Quellen:
*Hans Falkenberg: Das Saukopfstehlen. Darstellung und Bedeutung eines Stehlbrauchtums. In: Oberösterreichische Heimatblätter, Heft 1/2, 1980.
Theodor Vernaleken: Ueber das Richtersetzen. Mittheilungen des Historischen Vereines für Steiermark, Heft 32, 1884.
Karl von Ainira. "Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik." Abhandlungen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-philologische und historische Klasse, Band XXV, 1. Abhandlung, 1909.
Ferdinand Krauss: Die nordöstliche Steiermark: Eine Wanderung durch vergessene Lande. Graz, 1888.
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