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Die Heilige Lucia


Bevor der gregorianische Kalender in Österreich und den katholisch geprägten Gebieten Deutschlands 1583 den julianischen Kalender ablöste, fiel der kürzeste Tag des Jahres auf den 13. Dezember. Die Nacht davor war ebenfals wie heute die Thomasnacht (die Nacht vom 20. auf den 21. Dezember) eine Los- und Rauhnacht.

Im Norden (Skandinavien) und in des protestantischen Gebieten Deutschlands wurde der gregorianische Kalender erst 1700 übernommen.



Santa Lucia


Der 13. Dezember ist der Tag der Hl. Luzia von Syrakus. Sie lebte im 3./4. Jahrhundert in Syrakus (Sizilien) und entstammte einer angesehenen reichen Familie. Lucia war einem Mann versprochen, doch sie wollte jungfräulich bleiben und verweigerte die Verehelichung, weswegen sie von ihrem Verlobten verraten und hingerichtet wurde. Es wird erzählt, dass sie mit dem Vermögen der Familie eine christliche Armen- und Krankenstation, zu welcher sie ihren Glaubensgenossen Lebensmittel in die Verstecke brachte. Damit sie beide Hände frei zum Tragen der Speisen hatte, setzte sie sich einen Lichterkranz aufs Haupt, um in der Dunkelheit den Weg zu finden. Diese Darstellung der Hl. Lucia findet sich auch heute noch im Brauchtum in ganz Europa, besonders aber Schweden und Sizilien.


Ignazio Marabitti: Relief, 18. Jahrhundert, in der Lucia geweihten Kapelle im Dom in Siracusa



Lutzelfrau


Auch in der Steiermark gibt es Brauchtum zur Hl. Lucia. Im Grenzland zwischen dem Burgenland und der Steiermark, vom Wechselmassiv bis Hartberg und Fürstenfeld, besonders aber im angrenzenden Burgenland, soll sie unterwegs sein. Dort ist das „Luzeln“ üblich. Sie ist auch bekannt als Lutzelfrau, Lutschi, Lutscherl und Luzi oder Luz. Gleich wie ihr Name allerorts unterschiedlich ist, ändert sich auch ihr Erscheinungsbild: manchmal jung und hell, meist aber dunkel und bösartig – oder beides. Sie zieht am Vorabend des 13. Dezembers oftmals stillschweigend durch die Gegend, was etwas unheimlich anmutet, anderorts ist sie gesprächig, wie früher etwa in Anger bei Weiz, wo sie die Eltern befragte, ob die Kinder brav waren. Dafür versammelten sich die Hausleute nach dem Essen am Tisch, und es wurde ganz still in der Stube, wenn man draußen ein Poltern hörte. War das die Luzl, die sich draußen vor dem Haus die Füße vom Schnee abtrat?



Besonders wichtig ist es der Lutzelfrau, dass Ordnung im Haus herrscht und alles sauber ist. An ihrem Tag müssen die Spinnräder stillstehen. Das kennzeichnendste Merkmal der dunklen Luz ist aber ihre Gier nach Fleisch, weshalb sie vielerorts auf die Ferse ihrer Opfer abgesehen hat. Vom steirischen Wechselgebiet wird berichtet, dass sie früher in zotteliger Erscheinung auftrat und ihre Krallen so tief ins Fleisch schlug, dass man deren Spuren lange sehen konnte. Kehrte sie ins Haus ein und traf noch jemanden bei der Arbeit an, drohte sie den Kopf jener zu spalten oder abzuschlagen und diesen auf den Misthaufen zu werfen. Waren die Kinder brav und fleißig, erhielten sie eine Belohnung.


Verbreitungskarte Berchtengestalten im Burgenland und der angrenzenden Steiermark, Leopold Schmidt, Wien 1951.


Am 6. Dezember werden die Kinder oft von einem vermummten Nikolaus erschreckt, der ihnen aber selten etwas bringt, dafür ,pudelt’ ihnen die Lutzelfrau am 13. Dezember allerlei Süßigkeiten und Obst bei der Tür herein”, schreibt Leopold Schmidt, Berchtengestalten im Burgenland, 1951. Oft kommt es aber nicht vor, dass sie den Nikolaus begleitet, sie hat ihren eigene Feiertag und macht lieber ihr eigenes Ding. Oft ist die Luzlfrau ein zerlumpt gekleidetes, altes Weib, oft mit einer scharfen Sichel und Salz in der Hand und droht, "bösen" Kindern die Ferse abzuschneiden und Salz in die offene Wunde zu streuen. Sie kann aber auch als junges, weiß gekleidetes Mädchen (oft auch in Gruppen in Leintücher gekleidet) auftreten, das Gesicht ist dabei verhüllt.


In der nördlichen Oststeiermark, im Jogl- und Wechselland, woher ich stamme, ist die Luzl nicht bekannt, ich hörte auch die alte Leute nie von ihr sprechen. Ihre Verwandte, die Budlmuada, mit der sie sehr viele Ähnlichkeiten aufweist, allerdings dafür schon. (Sie wird zu gegebener Zeit ein eigenes Thema sein ist mein derzeitiger Forschungsgegenstand.)




Bluadige Luz


Anderswo, etwa im Bayrischen Wald wird sie die "bluadige Luz" oder auch "Luzier" genannt. Dabei verkleiden sich die Männer eines Dorfes Die "bluadige Luz" hatte meistens ein langes, blutverschmiertes Messer oder ebenfalls eine Sichel in einer Hand, die sie unaufhörlich mit einem Wetzstein schliff, mit dem Ziel, ihrem Opfer den Bauch aufzuschlitzen und diesen mit Steinen zu füllen. Die Luzier war oft mit einem weiten Umhang und großem Hut, der das Gesicht verdeckte, bekleidet. Die Luz schlich durch das Dorf, auf der Suche nach ihren Opfern, oft sagte sie dabei mit grausig verstellter Stimme einen Spruch auf:


"A Schüssel voll Darm, einen Topf voll Bluad, Bauch aufschneiden, Bauch aufschneiden, Steine ei stecka, Steine ei stecka, wieder zur nahn. In Regn ei werfa und dasaufa lossn, da fischtn koana raus, dann is für earm aus."



Lucky in Tschechien


Die Verbindungslinien des Luzienbrauchs laufen auch über vom Ostalpenbogen über Ungarn, die Slowakei bis nach Böhmen, Mähren und Tschechien. Auch in Tschechien, das wiederum an den Bayrischen Wald angrenzt, treten Luzien in weißer Gestalt und Schnabelmaske auf (Schnabel- oder Vogelmasken sind auch im Alpenraum, etwa Rauris in Salzburg, bekannt, erscheinen aber eher in der letzten Rauhnacht, der Dreikönigsnacht).


Aus: Leopold Kretzenbacher: Santa Lucia und die Lutzelfrau (1959 )


Aus Preßburg wird von Karl Julius Schröer (1855) berichtet: „Von ihr weiß ich nicht viel zu sagen, obwohl bei uns auf dem Lande vieles von der heil. Lucia im Umlauf ist, das in anderen Gegenden von Frau Fricke erzählt wird. Sie hat einen Milchtrichter auf dem Kopf, darüber ein Leintuch, wie das anderwärts bei Berchta der Fall ist, und kommt mit dem Spinnrocken in der Hand in die Häuser oder mit einem Federwisch, mit dem sie die Möbel abstaubt." Ähnliches wird auch aus dem Burgenland (Gegend Wolfau) berichtet. Obwohl sie dort im klassischen Sinn keine Schnabelpercht ist, weist der abstehende Trichter doch in diese Richtung.


Im Allgemeinen gilt die grausige Luzl n Ungarn, im slawischen und im süddeutschen Raum gilt die ebenfalls als Mahnerin des Schicksals ähnlich der Percht und Frau Holle. Als Furcht einflößende Gestalt straft sie faule und schlampige Personen und ungezogene Kinder. In der Luziennacht wurden in früheren Zeiten zahlreiche Orakelbräuche ausgeübt. Das Aufstellen von Luzienzweigen und Luzienweizen ist noch heute verbreitet.



Lussebrud (Luzienbraut)


Sancta Lucia wird anderswo als liebliches Wesen verehrt, vor allem in Skandinavien. An diesem Tag wird das Längerwerden des Tages gefeiert und junge Mädchen verkleiden sich als Santa Lucia, als Lussebrud, die der jungfräulich gebliebene Hl. Lucia nachgestellt ist. Sie kleiden sich in weiße Kleider, binden einen roten Gürtel um (Symbol für Blut), tragen einen grünen Kranz aus Preiselbeergrün (Fruchtbarkeit) mit Kerzen (Licht) auf dem Kopf und singen das Luzialied. Obwohl es kein gesetzlicher Feiertag ist, beginnen die Festivitäten schon in der Früh: Die „Lussebrud“ weckt die Familie und serviert das Frühstück am Bett (wie auch die Hl. Lucia ihre Mitmenschen mit Essen versorgte). Weiter geht es mit Feiern in der Schulen und Kindergärten, Auftritten in Altersheimen etc. und endet oftmals mit einem Gottesdienst in der Kirche. Auf diese Weise wird das Licht in die Gemeinde und in die Kirche getragen.



Aber auch dort hat sie eine zweite Seite: In der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember erscheint sie. Dies ist die Nacht, in der der Monat Jul begann. Und es war auch die gefährlichste Nacht des Jahres. Ein weiblicher Geist regierte diese Nacht unter dem Namen Lussi („Licht“). Die Leute mussten in dieser Nacht drinnen bleiben, essen und feiern, um den Zorn von Lussis Gefolge zu besänftigen und abzuwenden, und das Licht anlassen. Es war auch sehr wichtig, sich um die Tiere zu kümmern. In dieser Nacht berichteten ihr die Tiere im Stall nämlich, ob der Bauer über das Jahr gut zu ihnen war. Lussi, blass und schrecklich, kam auch, um nachzusehen, ob alles für Weihnachten bereit war – vor allem das Spinnen und Backen. Wenn diese Arbeit nicht zufriedenstellend war, konnte sie so wütend werden, dass sie den Schornstein hinunter und ins Haus kam, und manchmal brach sie den ganzen Schornstein ein. Oder sie konnte ihr furchteinflößendes Gesicht an das Fenster drücken, um zu sehen, wie es drinnen aussah, und wenn die Dinge für Weihnachten nicht bereit waren, schrie sie norwegischen Quellen nach durchdringend und zornig: „Inkje bryggja, inkje baga, inkje store eld hava!” (Nicht gebraut, nicht gebacken, kein großes Feuer haben sie!“)


Das erinnert mich daran, dass der 8. Dezember, Mariä Empfängnis, früher auch als Beginn der Weihnachtsbacksaison galt – bis zum 12. Dezember mussten alle Weihnachtskekse fertig sein. So wurde es zumindest von den Alten erzählt...



Die Isländische Hexe Grýla


Ein weiteres großer Weihnachtsgeist ist die isländische Trollfrau Grýla – die Weihnachtshexe. Grýla lebt mit ihrer Familie in einer versteckten Höhle und wagt sich während der Weihnachtszeit hinaus, um böse Kinder zu schnappen und sie in ihren Eintopf zu stecken.


Ein Gedicht über Grýla aus dem 13. Jahrhundert lautet:

„Herunter kommt Grýla von den äußeren Feldern / Mit vierzig Schwänzen / Eine Tasche auf dem Rücken, ein Schwert/Messer in der Hand, / Kommt, um die Mägen der Kinder herauszuschneiden / Die in der Fastenzeit nach Fleisch schreien.“


Dieses Gedicht wird an dieser Stelle angeführt, da es ebenfalls das Motiv des Messers in der Hand und des Bauchaufschneidens aufweist. Traditionell war die Adventzeit früher eine Fastenzeit.



Kulinarisches


Während aus Schweden die Lussekatter eine gewisse Bekanntheit aufweisen, ist hier in der Steiermark kaum noch bekannt, dass es etwa im Leibnitzer Raum ebenfalls ein bestimmtes Luziengebäck gab. Der sogenannte Luzifleck oder Luziastriezel (der tatsächlich eine Flade war) hatte etwa 12 cm Durchmesser und war 1 cm dick und wurde aus ungesäuertem und ungesalzenem Maismehl gebacken. Dieses Luziabrot wurde wie in Schweden die Lussekatter noch vor Sonnenaufgang gebacken und der gesamten Hausbewohnerschaft samt dem Vieh einschließlich des Geflügels zum Essen gegeben, im Sinne eines Sippenbrots, dessen Gedanke noch aus der heidnischen Zeit stammt und bereits im Mittelalter erwähnt wurde. Dieser taucht auch beim gemeinsamen Kletzenbrotessen zu Weihnachten und später, in der Dreikönigsnachtmahl, wieder auf. Das "Feck-Essen" am Luziatag sollte gegen Hundebisse und Tollwut helfen und den gesamten Hausstand gemeinschaftlich verbinden und vor Schaden bewahren. Reste wurden in der Tischlade gegen Viehkrankheiten aufbewahrt.


Und was haben die Lussekater und das Luciabrot gemeinsam?


Die sattgelbe Farbe, die den heller werdenden Tag symbolisiert!




(Titelbild des Beitrags: John Albert Bauer (1882 – 1918) war ein schwedischer Maler und Illustrator. Seine Arbeit befasst sich mit Landschaft und Mythologie, aber er schuf auch Porträts.)




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