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Blochziehen im Fasching


Das "Blouziag'n" ist einer der ältesten Bräuche im Alpenraum, dem ein Fruchtbarkeitsritual zu Grunde liegt. Namensgebend ist das Bloch, ein langer, entrindeter und entästeter Baumstamm. Ursprünglich war der Brauch in der Ost- und Weststeiermark verbreitet und wurde praktiziert, wenn in einem Dorf ein ganzes Jahr lang keine Hochzeit stattfand. In solchen Jahren wurde eine "Bloch- oder Waldbraut" aus dem Wald geholt, um einen Junggesellen aus dem Dorf zu heiraten.


Blouziag'n in Grafendorf bei Hartberg um 1950 (Quelle: Museum für Geschichte)



Namensgebend ist das „Bloch„, ein langer entrindeter und entästeter Baumstamm. Dieser steht symbolisch für einen Pflug, der die Erde der Äcker für die Aussaat aufreißt und damit eine reiche Ernte beschwört. Ein Akt der besondere Fruchtbarkeit verheißen soll und den Frühlingsbeginn einläutet. Der Stamm hat zweifelsohne auch eine phallische Symbolik.



Die Ähnlichkeit zwischen den Wörtern "Blou" für "Bloch" in der oststeirischen Mundart und "plough" für "Pflug" auf Englisch ist interessant und könnte auf eine gemeinsame linguistische Wurzel hinweisen. Das Wort "Bloch" erscheint bereits im Althochdeutschen als "bloh", "blok" und bedeutet "Block", "Pfahl" oder "Holzblock". Seine Wurzeln reichen zurück auf das Indoeuropäische mit der Rekonstruktion bʰlugo oder bʰluko-, was "Block" bedeutet. Im Mittelhochdeutschen findet sich die Form "bloc" oder "block".


Ursprünglich fand dieser Brauch auch nur in jenen Jahren statt, in denen es im Vorjahr keine Hochzeit gegeben hat. Dabei zogen die „sitzen gebliebenen“ Burschen und Mädchen den festlich geschmückten Baumstamm die sogenannte „Bloch- oder Waldbraut“ durch die Straßen des Dorfes. Auf dem Stamm saß der „Bräutigam“ in Frack und Zylinder. Andere Varianten sind, dass ein verkleidetes, falsches Brautpaar neben dem Bloch herschreitet.


Der Urteilsspruch für die Blochzieher und Blochzieherinnen lautet:

„Weil wir nicht getreten in das Ehejoch, darum müssen wir ziehen das schwere Bloch!“


Auch im Umland von Graz, etwa in Peggau-Deutschfeistritz, wurde ein Bloch an einen Schlitten oder Wagen gebunden und von den ledigen Frauen durch das Dorf gezogen. Die Burschen halfen mit, da dies die baldige Hochzeit bedeuten sollte. In Kärnten im Gailtal wurden die Frauen von peitschenknallenden Männern angetrieben. Aus Innsbruck ist aus dem Jahr 1460 überliefert, dass Frauen ein Bloch oder einen Pflug durch die Straßen ziehen dies galt als Strafe für das Ledigbleiben. Somit gehört das Blochziehen zu den Rügebräuchen.


Blochziehen in St. Kathrein am Offenegg in den 1970er Jahren (Bild 1 und 2) und in Sörg, Kärnten, wo tatsächlich auch ein Pflug gezogen wird (Bild 3 und 4).


Auch in der Weststeiermark und im Almenland wird der Brauch ausgeübt. In Kärnten ist das Blochziehen ebenfalls ein lebendiger Brauch. In der Steiermark ist das Blochziehen sonst noch im Joglland, etwa in Wenigzell, und weiters in Grafendorf, bekannt sowie in einigen burgenländischen Gemeinden, wie Bad Tatzmannsdorf, Riedlingsdorf oder in Neckenmarkt .


Blochziehen in Neckenmarkt am 3.2.2024 (Bilder: meinbezirk.at)



Einzigartig in Riedlingsdorf Das "Haarsammeln"

Der Brauch des "Haarsammelns" in Riedlingsdorf und ist einzigartig in Österreich. Seine genaue Entstehungszeit ist nicht mehr bekannt, jedoch ist klar, dass dieser Brauch ausschließlich dort praktiziert wird. Der Brauch findet auch im Vorfeld des Blochziehens statt, bei dem Spenden unter anderem für die Vorbereitung und Durchführung des Blochziehens gesammelt werden.


Die Regeln für die Teilnahme sind streng festgelegt: Nur Bräute, die entweder aus Riedlingsdorf stammen oder einen Mann aus dem Dorf heiraten und noch keine Kinder haben, dürfen teilnehmen.


"Jungbraut" und "Altfrau" in Riedlingsdorf beim "Haarsammeln"



Am Sonntag vor der Hochzeit geht die Braut „Haar sammeln“. Sie zieht in Begleitung der „Altfrau“ – meist die Taufpatin oder eine andere Verwandte – von Haus zu Haus durchs ganze Dorf. Das „Haar“ war damals geraffter Flachs, aus dem die junge Frau dann Leinen machen konnte. Später bekam die Braut dann Geld statt Flachs. Begonnen wird mit dem Gebetläuten um sechs Uhr morgens, die Abendglocken verkünden das Ende der anstrengenden Tour. Wenn man später losgegangen ist, hat man als faule Braut gegolten. Und wenn man nach 18 Uhr noch bei einem Haus geläutet hast, war man eine gierige Braut.


Man muss immer in die entgegengesetzte Richtung vom Herkunftsort des Bräutigams gehen. In den 12 Stunden sollte es normalerweise möglich sein, bei jedem Haus zu läuten. Man möchte sicherlich nicht die erste Braut sein, die es nicht schafft.


Die Teilnehmerinnen berichten von den Herausforderungen und Anekdoten während des "Hoarsammelns". Früher wurden Streiche gespielt, und die Braut musste in jedem Haus anläuten und dort in jedem etwas essen und trinken, was eine anstrengende Aufgabe war. Heutzutage geht die Braut mit ihrer Begleiterin von Haus zu Haus, und die Begleiterin spricht den Spruch aus, mit dem um eine Geldspende gebeten wird:

„Die Braut tat a sche bitten.“

Die Höhe der Spende hängt vom Verwandtschaftsgrad ab.

Der Brauch hat sich im Laufe der Zeit gewandelt: Während früher das gesammelte Haar einen Grundstock für den Hausstand darstellte, dient die gesammelte Geldsumme heute als Startkapital für die junge Familie.


Blochziehen am 11.2.1934 in Riedlingsdorf im Burgenland


Heutzutage organisieren oft Vereine diesen Brauch, bei dem das Ziehen des schweren Blochs in der Regel von einem Traktor übernommen wird. Eine Hochzeitskutsche mit Brautleuten sowie Wagen mit Geistlichen und Vertretern der Dorfgerichtsbarkeit folgen dem Zug.




Blochziehen in Fiss

Das Blochziehen in Fiss zählt zu den bedeutendsten Fasnachtsbräuchen im Alpenraum. Alle vier Jahre wird im Spätherbst ein Zirbenbaum, der als "Bloch" bezeichnet wird, gefällt. Beim Festtagsumzug wird dieser auf einem geschmückten Holzschlitten durch das Dorf gezogen. Der Umzug wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Figuren begleitet. Auch hierbei spielt die Pflugsymbolik eine wesentliche Rolle.


Blochziehen in Fiss 1921 (Quelle: https://www.blochziehen.at/de/geschichte) und heute (meinbezirk.at.


Im Ötztal in Tirol wird dieser Brauch gepflegt. Besonders bekannt ist das Blochziehen in Fiss, das im Jahr 2011 in das Nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO in Österreich aufgenommen wurde.




Gschalamandl und Waldteufel

Ein weiteres Maskenpaar hat früher jedes Blochziehen begleitet: eine Strohmaske und eine mit immergrünem Reisig verhüllte Gestalt. In der Mitte des Stammes befindet sich ein bunt geschmücktes Fichtenbäumchen, der sogenannte Lebensbaum.

Der Blochzug wird von traditionellen Figuren wie dem Waldteufel, den Gschala- und Strohmandln begleitet. Heute sind diese Figuren in manchen Orten schon in Vergessenheit geraten, doch sind gerade sie wichtige Symbolgestalten im Fasching: die dürre Maske, aus Maisstroh hergestellt, verkörpert den Winter, die grüne Reisiggestalt stellte das Frühjahr, die wieder erwachende Natur dar. Dieser Gegensatz ist Inhalt vieler Faschingsbräuche.


Bild 1: Gschalamandl, Bild 2 Brigid-Puppe und -kreuze


Im Burgenland in Pinkafeld werden Gschallamandl (oder Gschalamandl) aus Kukuruzstroh auch als Krippenfiguren angefertigt. Diese erinnern an die Birghid-Stroh-Puppen aus Irland die am Vorabend von St. Birghid (1. Februar) gebastelt werden.


"Waldteufel" und Strohfigur beim Blochziehen in Peggau in der Steiermark (Screenshot YT)


Je nach Landschaft heißt die Strohmaske im Oststeirischen „G’schalamandl“, nach den getrockneten Schalen bzw. Hüllblättern der Maiskolben, in der Weststeiermark „Laschi“. Die Reisigmaske wird als "Waldteufel", als "Hüter der Waldbraut" oder einfach als "der Grüne“ bezeichnet.


V.l.n.r.: G’schalermandl, Figur beim Blochziehen, Foto: UMJ/ Nicolas Lackner (Quelle: https://www.museum-joanneum.at/blog/fasching-in-der-steiermark/); Mitte: Biddy Boys, die am 1. Februar zu Ehren von Brigid durch Irlands Straßen ziehen; rechts: Strohschab, die am 5. Dezember als Vorboten mit Peitschen den Weg für die Nikolausgruppe freimachend auftreten. Brauchtumsfiguren in Strohverkleidung sind vom Norden Europas bis in den Balkan zu finden.




Quellen


Helga Maria Wolf: Verschwundene Bräuche – Das Buch der untergehenden Rituale, 2015.


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