Die Segnung von Johanneswein am 27. Dezember hat eine lange Tradition, und die Johannesminne (Wein) ist seit dem 10. Jahrhundert belegt. Besonders in der Oststeiermark wird dieser Brauch auch heute noch gepflegt. Aber auch im steirischen Salzkammergut, etwa in Altaussee, wird die Johannesminne beim Abschied eines Familienmitgliedes aus dem Haushalt, im Krankheitsfall und bei Hochzeiten getrunken.
Johannesweinsegnung Frauenberg 2021
Der 27. Dezember war immer ein ganz besonderer Tag in unserer Familie: der Hanstag!
Nachdem sowohl mein Vater Johann als auch mein Großmutter Johanna an diesem Tag Namenstag hatten, wurde er besonders hoch gehalten. Bei vielen Menschen ist der Brauch, den Gedenktag des eigenen Namenspatrons zu feiern, in Vergessenheit geraten. Vor allem in den letzten Jahrzehnten trat er zugunsten des Geburtstages mehr und mehr in den Hintergrund und das, obwohl der Namenstag über Jahrhunderte hinweg einen hohen Stellenwert einnahm – der Geburtstag hingegen hatte wenig bis gar keine Bedeutung.
Am Nachmittag dieses Tages der Mittwinterzeit besuchten wir also den Elternhof meines Vaters und feierten gemeinsam in alter Tradition ihren Ehrentag, gedachten aber auch unserer verstorbenen Angehörigen. Dabei wurde Johanniswein getrunken. Meine Großmutter hielt die gesegnete Weinflasche längere Zeit verheißungsvoll in ihren Händen, bevor der besondere Moment des Öffnens kam. Diesem Prozedere wohnte eine unausgesprochene Feierlichkeit inne, an die ich mich noch gut erinnere. Danach wurde es lustig!
Während die Erwachsenen in der Stube feierten, strich ich als Kind durch das Haus, an dessen Wänden seinerzeit noch die Felle von Kühen oder Stieren hingen, die meinen Großeltern besonders lieb gewesen waren. Ich streichelte die Felle, und mein Onkel verriet mir die Namen der Rinder. Dann erzählte er über Geschichten über diese Tiere und deren Charakter, und meine Phantasie erblühte dabei so richtig.
Selbst habe ich den Brauch von meinen Großeltern übernommen und gehe auch jedes Jahr mit den Kindern zur Johannesweinsegnung. Die gesegneten Flaschen werden mit einem Gummiringerl markiert (festliche Schleifen haben Weihnachtszeit zu viele Flaschen, sodass Verwechslungsgefahr bestehen würde)! Ich verschenke immer eine Flasche an meine über 90-jährigen Großeltern, der Rest wird mit lieben Freunden oder der Familie zu besonderen Anlässen getrunken.
Aus der Historienbibel Vorauer Volksbibel 1467 (Vorau Cod. 273, Stift Vorau [Gegenwärtiger Eigentümer],
Digitales Faksimile)*
Johannes der Evangelist
Der 27. Dezember ist der Gedenktag des Apostels Johannes, Sohn des Zebedäus, der nach dem Zeugnis des Neuen Testaments ein Jünger Jesu Christi war. Johannes zählt zu den Lieblingsjüngern Jesu, er saß beim Letzten Abendmahl neben ihm und stand als einziger Apostel unter dem Kreuz. Nach altkirchlicher Tradition gilt Johannes als Verfasser des vierten Evangeliums, dreier Briefe und der Geheimen Offenbarung.
Aguila de S. Juan Iglesia de San Manuel y San Benito (Madrid)
Sein Evangelistensymbol ist der Adler. Der Hl. Johannes der Evangelist ist der Schutzpatron gegen Vergiftung, für gute Ernte und Freundschaft, der Bildhauer, Buchdrucker, Maler, Schriftsteller, Theologen und Winzer. An seinem Gedenktag finden in vielen Kirchen in der Steiermark traditionell Johannisweinsegungen statt.
Johanneswein, Johanniswein, Hanswein
Der Legenda Aurea aus dem 13. Jahrhundert nach setzte ein Priester des Artemis-Tempels in Ephesos dem Apostel unter dem Vorwand, er wolle Christ werden, wenn Johannes den Wein ohne Schaden austrinke, vergifteten Wein vor. Johannes schlug ein Kreuz über das Gefäß, worauf das Gift in Form einer Schlange entwich. Daher führt dieser Heilige in den kirchlichen Abbildungen einen Kelch, aus dem ein Schlängelein herauszüngelt, und der Messpriester sprach bei der Benediktion des Weins: „Dich rufen wir an, vor dessen Namen die Schlange weicht, der Drache flieht, die Viper schläft und die Giftkröte in ihrer Wut hinstirbt.“
El Greco: Johannes, der Evangelist, um 1600, im Nationalmuseum del Prado in Madrid
Früher ließ der Hausvater an jenem Tage aus jedem Fass im Keller etwas Wein ab, brachte ihn auf den Altar, ließ ihn mit Weihwasser besprengen und goss ihn daheim wieder in seine Fässer; dann würde ihm das ganze folgende Jahr kein Fass abstehen, und aus jedem kann er seinem scheidenden Gast den Johanniswein kredenzen. Ehedem musste der Wanderer, wo er auch einkehrte, sich an einem guten Trunk erlaben, der ihm Stärkung für die Reise verlieh. Hatte der Gast schon allerseits Abschied genommen und die Herberge verlassen, so kam der Wirt ihm draußen noch einmal mit dem Scheidetrunk entgegen; er schüttete aus zwei Flaschen roten und weißen Wein zugleich in das Bassglas, das seine Tochter ihm darhielt; erst wenn der Gast diesen Trunk bis auf die Neige geleert hatte, konnte der Wunsch einer glücklichen Reise in Erfüllung gehen. In den Landkirchen spendete der Pfarrer nach der Messe einige Kannen aus, jeder Anwesende soll einen guten Trunk tun.
Die Johannesminne seit dem 10. Jahrhundert belegt, und das Minnetrinken war ein alter und weit verbreiteter Brauch. An den Tagen der Minneheiligen wie Johannes Evangelist wurde Wein (Minne) gesegnet und zu Ehren der Heiligen getrunken (sant Johans minne). Man erhoffte sich von dem Getränk Hilfe in schwierigen Lebenslagen und einen guten Tod, so wurde er Sterbenden und zum Tode Verurteilten gereicht. Die Mine sollte vor Zauberei, Vergiftung, Ertrinken und Blitzschlag schützen, Männer stark und Frauen schön machen. Sie war Medizin, Abschiedstrunk, Brautsegen, Schutzmittel für den Wein und die Landwirtschaft.
Weitere Minneheilige waren neben dem Evangelisten Johannes auch der Erzmärtyrer Stephan sowie Gertrud, Martin, Michael, Sebastian, Ulrich und Urban. Im Hochmittelalter zählten sie zu den beliebtesten Namenspatronen. Die Stephansminne ist seit karolingischer Zeit belegt, der 26. Dezember, der Tag des heiligen Märtyrers Stephanus, wurde mit einer kirchlichen Weinspende begangen, wobei dem Messpriester vorgeschrieben war, den Wein kelchweise den Versammelten mit den Worten darzureichen: „Bibe fortitudinem St. Stephani“. Sie galt Sterbenden als Wegzehrung, das ist u.a. von der Mutter Albrecht Dürers (1471-1528) bekannt. Nach der Segnung des Johannesweins am 27. Dezember reichte der Priester bei den Agape den Wein mit den Worten "Trinket die Liebe des heiligen Johannes". Gertrudenminne (sant Gêrtrûde minne) trank man zum Abschied und zur Versöhnung. Eine Ballade aus dem 14. Jahrhundert erzählt, Gertrud – selbst eine Minneheilige – Habe eine Ritter, der seine Seele dem Teufel verschrieben hatte, gerettet, in dem sie ihm Johannesminne reichte.
Dem Johanniswein werden besondere Kräfte nachgesagt. Er soll nicht nur die edlen Tropfen noch besser machen, sondern auch Haus und Hof der Weinbauern vor allerlei Gefahren und Unheil schützen. Der gesegnete Wein wurde früher bei Schwächeanfällen und Krankheiten als Medizin eingenommen. Auch für Kinder war dieser Festtag etwas Besonderes. Es war der einzige Tag im Jahr, an dem sie Wein trinken durften. In vielen Pfarren ist es auch heute noch üblich, eine oder mehrere Flaschen Wein in die Pfarrkirche mitzubringen und segnen zu lassen. Der Wein wird aber heute eher zu speziellen Anlässen, wie Familienfeiern, geöffnet und nicht mehr als Medizin eingenommen. In einigen Pfarren wird der Wein auch direkt nach dem Gottesdienst bei einer Agape ausgeschenkt.
Minne
Der Begriff Minne knüpft noch an die ursprüngliche Bedeutung von Minne im Sinne von ‘Erinnerung’, ‘Gedächtnis’ (Minne und Recht) an. Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit verstand man hierunter den Brauch des gegenseitigen Zutrinkens (Trinken, Zutrinken) zu Ehren eines Heiligen, wobei ein älterer kultischer Zusammenhang (Ahnen- und Totenkult bzw. gemeinschaftliche Feier der Lebenden mit den Toten bzw. Göttern) angenommen wird. In der nordischen Mythologie wird dem Minnetrinken eine besondere Kraft- und Schutzwirkung zugeschrieben.
Nach Pierer's Univeral-Lexkikon (4. Auflage 1857–1865) ist Minne
„ursprünglich so v.w. Erinnerung, Andenken; bei den alten Deutschen war es bei Opfern u. Gelagen Sitte, der Götter od. verstorbener Genossen mit einem Becher zu gedenken, was man Minne trinken nannte. Nach Annahme des Christenthums wurde an Wuotans, Donars etc. Stelle die M. Christi, der Maria u. der Heiligen, namentlich aber die M. des Apostels Johannes od. der heiligen Gertrud getrunken.“
Heutige Vorstellung von mittelalterlicher Minne: ein Liebespaar auf S. 249v der Heidelberger Manesse
Minne trinken als Gedächtnistrunk
War der Wein schon um des Abendmahls willen in der Kirche unentbehrlich, so spielte er aus noch andren Gründen daselbst eine Rolle. Wie in der Real Encyklopädie für die gebildeten Stände von 1846 zu lesen ist, hatte der deutsche Heide nämlich seine Götter und volkstümlichen Heroen durch Zutrinken geehrt, der neubekehrte deutsche Christ aber trank auf jener Heiligen Gedächtniß, die ihm durch Proben geistiger oder leiblicher Stärke Bewunderung abgewannen; und die Kirche in ihrer Duldsamkeit nahm dieses sogenannte Minnetrinken in ihr Rituale auf, nachdem sie sich Jahrhunderte hindurch vergeblich bemüht hatte, dasselbe zu unterdrücken. Kaum gelang es den Bischöfen, die Zahl der Heiligen zu beschränken, deren Gedächtnis oder Minne man trank. So erhielt sich lange in den Niederlanden die St. Gaerteminne oder Gertrudsminne, im Norden die Kanuts- oder Eriksminne, anderwärts die Ulriksminne, der Martins-, Stephans-, Michaelis- und Nikolaustrunk, und bis auf unsere Tage besteht die Johannisminne.
Doppelkopfbecher für die Minne
Zum Minnetrinken wurden eigene Trinkbecher angefertigt, sogenannte "doppelte(s) pecher". Dabei handelt es sich um Behälter, denen ein kleinerer, ähnlich geformter übergestülpt wurde, der aus dem "Kopf" einen "Doppelkopf" formte. Über einem Fuß erhebt sich ein bauchiger Pokal mit einem seitlichen, eingedrehten Henkel, der als Deckel darüber gestülpte zweite Becher weist einen ähnlich gestalteten Fuß auf, der gleichzeitig als Deckelgriff dient. Die Gefäße aus Maserholz besitzen eine beachtliche Größe, und das sehr harte und dichte Material wurde aus Verwachsungen oder Wurzelstöcken verschiedener Laubbäume gewonnen. Doppelkopfbecher kommen nur im deutschsprachigen Raum, insbesondere in Süddeutschland, vor. Sie tauchen im 13. Jahrhundert auf und blieben über vierhundert Jahre in ihrer Kernform gleich. Angehörige aller Stände, vom Kaiser bis zum Bürger, haben sie zu Feierlichkeiten oder ausgelassenen Festen verwendet. Brautpaare und deren Gäste tranken aus dem Doppelkopf. Den Hintergrund für ihre Verwendung bildet die uralte Sitte des Minnetrinkens. Dabei wurde an bestimmten Feiertagen zu Ehren des jeweiligen Heiligen geweihter Wein zum Trinken gereicht. Der wundertätige Effekt der Minne wurde noch gesteigert, wenn das Holz von Ölbäumen aus dem Heiligen Land stammte. Obwohl das Minnetrinken von der Kirche kaum gefördert wurde, da es häufig in derbe Trinkfeiern ausartete, stellte es im 15. und 16. Jahrhundert einen der beliebtesten und gängigsten deutschen Bräuche dar. Die Ambraser Gefäße aus Maserholz zeigen jedoch keinerlei Spuren einer Benützung und standen vermutlich nie im praktischen Gebrauch.
Maser-Doppelkopf (derzeit ausgestellt: Schloss Ambras Innsbruck Unterschloss, Kunstkammer;
1. Hälfte 16. Jahrhundert; Maß: H. 33,3 cm, Dm. Lippe 12,4 cm bzw. H. 19,8 cm, Dm. Lippe 14,3 cm)
Wortherkunft des Begriffs "Minne"
Minne als altdeutsches Wort bezeichnete das, was wir Liebe nennen, während dieses Wort, dem Leide entgegengesetzt, gewöhnlich in seinem ursprünglichen Sinne von Freude und Lust gebraucht wurde. Wie der Real Encyklopädie für die gebildeten Stände von 1846 weiters zu entnehmen ist, wurde der "Verehrung gemäß, welche das Weib von ältester Zeit her bei den german. Völkern genoss, auch die Minne von den Deutschen in einem edleren, geistigeren Sinne aufgefaßt, als dies bei Griechen und Römern mit der Geschlechtsliebe im Allgemeinen der Fall war, und durch den Einfluß des Rittertums steigerte sich jene Auffassung noch mehr in das Schwärmerische."
Im Altnordischen gab es das Wort minni in anderer Bedeutung, nämlich als „Erinnerung“, "Andenken". Auch im heutigen Isländisch bedeutet minni „Gedächtnis“. Diese Bedeutung gehört zur indogermanischen Wurzel *men- „denken“, die im Deutschen noch in dem Verb mahnen enthalten ist.
Auch im Mittelhochdeutschen steht minne für „freundliches Gedenken, Erinnerung“. In der Bedeutung „Minne trinken“ ist es noch heute als Gedächtnis- oder Abschiedstrunk bekannt.
Szene aus der Fernsehserie "Vikings": Festgelage
Daher wurde der Trunk, den man nach germanischer Sitte zum Andenken eines Abwesenden oder Verstorbenen bei festlichem Mahle, oder zu Ehren eines Gottes beim Opfer tat, selbst Minne genannt.
* Die Vorauer Volksbibel aus dem Jahr 1467 gehört zur Literaturgattung der deutschsprachigen Historienbibeln des Spätmittelalters und enthält die Texte der christlichen Bibel in bayerisch-österreichischer Mundart, veranschaulicht mit 559 kolorierten Federzeichnungen und ergänzt durch die Schilderung geschichtlicher Ereignisse.
Historienbibeln dienten im Spätmittelalter dazu, die spirituellen Grundlagen des Christentums zu vermitteln und dem Volk näher zu bringen. Dabei wurden die Bibeltexte in der Sprache des Volkes frei bearbeitet und durch zeitgeschichtliche Ereignisse ergänzt. Sie zählt zum DOKUMENTENERBE„Memory of the World“/„Gedächtnis der Menschheit“.
Quelle: https://www.unesco.at/kommunikation/dokumentenerbe/memory-of-austria/verzeichnis/detail/article/vorauer-volksbibel
Weitere Quellen:
https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/ABC_zur_Volkskunde_%C3%96sterreichs/Johannes_Evangelist%2C_hl.
https://austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/ABC_zur_Volkskunde_%C3%96sterreichs/Minneheilige
https://www.hrgdigital.de/id/minnetrinken/stichwort.html
https://www.khm.at/objektdb/detail/90952/
https://www.katholische-kirche-steiermark.at/pfarre/6276/gallery/gallery/7409.html
http://www.lexikus.de/bibliothek/Geschichte-des-Weins-und-der-Trinkgelage/03-Das-Minnetrinken
Real Encyklopädie für die gebildeten Stände von 1846
Grenzboten 1864. Nr. 52
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